In der Lobby brennt noch Licht
Das ist das Motto der zweitägigen Fachkonferenz des Netzwerk Recherche in den Räumlichkeiten der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Es wird zu einem unglaublichen Running Gag, dass ich mich zu Veranstaltungen des Netzwerk Recherche anmelde und Tage darauf feststelle, dass mein Chef dort Teilnehmer an einer Podiumsdiskussion oder Referentenkommentator ist. Im Sommer, auf der Jahreskonferenz in Hamburg, war es der Leiter meines Studiengangs, der sich rechtfertigen musste, dass er einen Studiengang anbietet, der sowohl für den Journalismus als auch dessen bösen Zwillingsschwester, die Public Relations, ausbildet. Dieses Mal ist es der Chef der PR Agentur – Achtung, es folgt die Premiere, dass ich meinen Arbeitgeber zum ersten Mal bei Namen nenne! - Johanssen + Kretschmer, der sich für einen Kommentar hergeben muss. Wie er sich schlagen wird, zeigt sich heute.

Der gestrige Tag diente der allgemeinen Einleitung in das Thema Lobbying. Es ist kein großes Geheimnis, dass unser politisches System von Interessenvertretern unterschiedlicher Couleur und unterschiedlichster Neigung durchzogen, ja geradezu „verseucht“ ist, wie es Thilo Sarrazin, Berliner Finanzsenator, äußerst treffend formulierte. An solcher Interessenvertretung sehe ich per se nichts Verkehrtes. Mag sein, dass heute noch der PR-Mensch aus mir spricht, aber ich bin der Überzeugung, dass die Politik sich soweit vom Bürger und seinen Bedürfnissen entfernt hat, dass sie selber nicht mehr weiß, was gut ist für ihren Schützling. Ob ausgerechnet Wirtschaftsvertreter und ihresgleichen das besser wissen, sei dahergestellt, aber sie wissen allemal was für die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor gut ist und so etwas ist nicht rundweg schlecht für den Bürger. Das Bild, das man früher von Lobbyisten hatte, vornehmlich Männer in Anzügen, die mit den Volksvertretern in rauchiger Runde sitzen und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen während sie Zigarre rauchen und über ihre Wünsche sprechen, trifft nicht mehr wirklich zu. Heutzutage sitzen die Lobbyisten teilweise direkt in den Büros des Bundetages, arbeiten in den Abteilungen mit oder sitzen zumindest mit den Fachpolitikern in den wichtigen Runden. Sie manipulieren nicht mehr, sie gestalten mit – was immer noch Manipulation ist, keine Frage, aber in einem Rahmen, den wir uns alle absteccken können. Manipulation am Manne sozusagen. Millionen Frauen machen das täglich mit ihren Ehemännern, um die Kreditkarte zu erhalten.

Erwähnenswert als Redner ist Lothar Binding, derzeit Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag. Er erzählte in einem frischen, vollkommen frei vorgetragenen Stil von seinen Erfahrungen aus den Hinterzimmern. Dort tauchte ein Papier auf, welches dem Umgang mit der Zigarettenindustrie zum Thema hatte – formuliert von der Zigarettenindustrie selbst. Wer es dort auf den Konferenztisch gelegt hatte, ließ sich bis heute nicht aufdecken. Binding folgerte daraus, dass es überall in den politischen Strukturen lobbyistische Einflüsse gebe, auch dort, wo man sie in erster Linie nicht vermuten würde oder auch fernab von allen Knotenpunkten mit dem Interessensverband. Und weil er sich mit Rauch und allem drum herum besonders auskannte, schloss er auch mit den süffisanten Worten, dass wir „für jeden alten Raucher, den wir kennen, einen jüngeren Raucher niemals kennen lernen können, weil der schon tot ist.“


Bildquellen: Netzwerk Recherche; Deutscher Bundestag

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