Sonntag, 1. Juni 2008
Input
Am Sonntag, 1. Jun 2008 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Wir haben da mal etwas zu besprechen, meine lieben Freunde des guten Geschmacks. Vor einigen Monaten hatte ich der Schreibwerkstatt noch einen stillen Tod zugesprochen. Seither scheint sich aber die Fangemeinde gefangen und auch erweitert zu haben. Ein Blick auf den Counter zeigt, dass täglich so einige neugierige Nasen ihre jeweilige in die Texte der Autoren stecken und es gibt viele, die die Seite intensiv studieren. Manchmal muss ich angesichts dieser Zahlen etwas neidisch werden. Aber nur manchmal, ich schwöre.
Ein neues Mitglied der Autorengemeinde betreibt mit einigen anderen ein eBook-Projekt namens bookrix.de. Dahinter verbirgt sich eine Plattform, auf der auf Basis eines angelegten Profils Texte als eBook gesammelt und nutzbar gemacht werden. Für eine permanente Anthologie wie es die Schreibwerkstatt darstellt, kein unlogischer Evolutionsschritt.
Parallel zur Abstimmung des Maitextes startete unsere tüchtige Frau Toxea - die sich übrigens voller Hingabe dem Tagesgeschäft der Schreibwerkstatt widmet, wofür ich sehr dankbar bin - auch eine Umfrage zum Thema Bookrix-Profil, ja oder nein. Bisher haben sich nicht alle dazu geäußert, die zum Beispiel auch an der Maiabstimmung teilgenommen hatten (ganz einfach an der Anzahl abgegebener Stimmen gezählt).
Sagen Sie etwas dazu, meine lieben Fans! Evolution der Schreibwerkstatt? Eine einfache Abänderung der Nutzungsbedingungen - nennen wir sie kackendreist einfach AGBs - und das Anlegen eines Profils reichen aus, um diesen Schritt zu tun. Ich benötige Ihr offizielles Wort zwecks Inputförderung.
Ein neues Mitglied der Autorengemeinde betreibt mit einigen anderen ein eBook-Projekt namens bookrix.de. Dahinter verbirgt sich eine Plattform, auf der auf Basis eines angelegten Profils Texte als eBook gesammelt und nutzbar gemacht werden. Für eine permanente Anthologie wie es die Schreibwerkstatt darstellt, kein unlogischer Evolutionsschritt.
Parallel zur Abstimmung des Maitextes startete unsere tüchtige Frau Toxea - die sich übrigens voller Hingabe dem Tagesgeschäft der Schreibwerkstatt widmet, wofür ich sehr dankbar bin - auch eine Umfrage zum Thema Bookrix-Profil, ja oder nein. Bisher haben sich nicht alle dazu geäußert, die zum Beispiel auch an der Maiabstimmung teilgenommen hatten (ganz einfach an der Anzahl abgegebener Stimmen gezählt).
Sagen Sie etwas dazu, meine lieben Fans! Evolution der Schreibwerkstatt? Eine einfache Abänderung der Nutzungsbedingungen - nennen wir sie kackendreist einfach AGBs - und das Anlegen eines Profils reichen aus, um diesen Schritt zu tun. Ich benötige Ihr offizielles Wort zwecks Inputförderung.
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Mittwoch, 30. April 2008
Tu es!
Am Mittwoch, 30. Apr 2008 im Topic 'Schreibwerkstatt'
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Sonntag, 23. März 2008
Ufferstehung
Am Sonntag, 23. Mär 2008 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Ich will ja wirklich kein Spielverderber sein, und Ostern hat ja auch gerade erst richtig begonnen. Einige sind mitten in den Feierlichkeiten, andere buddeln im Schnee noch nach Eiern und wer es richtig macht, der liegt beschwippst von gefüllten Schokoladeneiern auf der Couch. Die große Mehrheit hier weiß, dass ich kein sonderlicher Fan von christlichen Festtagen bin.
Aber ich bin ein Fan der Schreibwerkstatt und die braucht dringend noch den einen oder anderen Beitrag und vor allem auch neuen Fan, denn in der letzten Zeit herrschte da eher Semiinteresse und das muss sich ändern, sonst fällt nächstes Jahr Ostern aus und das haben Sie dann von Ihren Feierlichkeiten. Deshalb meine eindringliche Bitte: Zeigen Sie, dass an diesen Tagen nicht nur ein vollbärtiger Guru auferstehen kann!
Bildquelle: www.poddcast.de
Aber ich bin ein Fan der Schreibwerkstatt und die braucht dringend noch den einen oder anderen Beitrag und vor allem auch neuen Fan, denn in der letzten Zeit herrschte da eher Semiinteresse und das muss sich ändern, sonst fällt nächstes Jahr Ostern aus und das haben Sie dann von Ihren Feierlichkeiten. Deshalb meine eindringliche Bitte: Zeigen Sie, dass an diesen Tagen nicht nur ein vollbärtiger Guru auferstehen kann!
Bildquelle: www.poddcast.de
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Dienstag, 28. August 2007
Am Dienstag, 28. Aug 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
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Freitag, 6. Juli 2007
Sommerlochalternative
Am Freitag, 6. Jul 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Wettbewerb belebt ja bekanntlich das Geschäft. Das sieht man deutlich bei der Eroberung des anderen Geschlechts und ganz und gar nicht bei den Strompreisen. Deswegen soll auch hier jetzt der Wettbewerb ausgerufen werden.
Herr Bufflon hat ein eindringliches Anliegen: Das Sommerloch muss gestopft werden! Und nein, hier fangen nicht wieder die Porn to be free-Tage an ;) Der Büffel möchte, dass sich alle die Finger wund tippen, um das Sommerloch zu bekämpfen. Das möchte ich auch. Und hier fängt der Wettbewerb ganz legitim an und soll das Geschäft beleben.
Manche haben schon davon gehört.
Es nennt sich Schreibwerkstatt.
Ja, echt, die gibt es immer noch! Aber keiner schreibt in ihr, obwohl schon seit einem Monat dort der neue Satzanfang für die werten Schreiberlinge und auch Leser bereitliegt. Stattdessen werden Stöckchen durch die Gegend geworfen. Böööse Stöckchen (hier bitte wahlweise persönliche Meinung zu Stöckchen einsetzen)!
Also, Schluss mit lustig! Ab sofort wird geschrieben. In den Kommentaren beim Herrn Bufflon und erst recht in der Schreibwerkstatt! Sonst, und das können Sie mir unverhohlen glauben, ist Schluss damit und Sie müssen sehen, wo Sie bleiben mit dem Schreiben und dem Werk und dem Statt.
Herr Bufflon hat ein eindringliches Anliegen: Das Sommerloch muss gestopft werden! Und nein, hier fangen nicht wieder die Porn to be free-Tage an ;) Der Büffel möchte, dass sich alle die Finger wund tippen, um das Sommerloch zu bekämpfen. Das möchte ich auch. Und hier fängt der Wettbewerb ganz legitim an und soll das Geschäft beleben.
Manche haben schon davon gehört.
Es nennt sich Schreibwerkstatt.
Ja, echt, die gibt es immer noch! Aber keiner schreibt in ihr, obwohl schon seit einem Monat dort der neue Satzanfang für die werten Schreiberlinge und auch Leser bereitliegt. Stattdessen werden Stöckchen durch die Gegend geworfen. Böööse Stöckchen (hier bitte wahlweise persönliche Meinung zu Stöckchen einsetzen)!
Also, Schluss mit lustig! Ab sofort wird geschrieben. In den Kommentaren beim Herrn Bufflon und erst recht in der Schreibwerkstatt! Sonst, und das können Sie mir unverhohlen glauben, ist Schluss damit und Sie müssen sehen, wo Sie bleiben mit dem Schreiben und dem Werk und dem Statt.
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Dienstag, 1. Mai 2007
Das Schneeschmelzesedativum (April 2007)
Am Dienstag, 1. Mai 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Das kräftige Blau des Fußbodens unterstützte die kalte Atmosphäre in dem Raum.
Dabei stimmte das gar nicht. Im Gegenteil, es war viel zu heiß hier! Schweißperlen rannen über seine Stirn, das weiße Leibchen klebte am Rücken wie eine zweite Haut, die sich nicht abhäuten ließ. Das musste man sich mal vorstellen! Ein kalt wirkender Raum mit brüllender Hitze darin! Wer sich so was nur einfallen lassen konnte. Bestimmt stammte das Konzept von einem ausländischen Architekten, einem dieser Maestros mit unaussprechlichem Namen und soviel Kreativität und Phantasie, dass es ihm schon wieder aus den Ohren herauskam. Der bestimmt in einem riesigen Loft wohnte und sich tausend verschiedene Frauen für tausend verschiedene Sexpraktiken mit abertausenden Orgasmen leistete. Solche machten solche Räume, kalt und heiß zugleich.
Er setzte sich in die Ecke und brütete vor sich hin. Der Gedanke an den Architekten war bereits wieder verflogen. Lange konnte er solche Ideen einfach nicht festhalten. Aber wenn sie kamen, dann kamen sie schnell und in Massen und dann mussten sie aufgeschrieben werden, denn Ideen und Gedanken waren wie der erste Schnee. Sie kamen unerwartet und brachten eine Ruhe mit sich, wie man sie all die Zeit vorher nicht kannte, aber man war meistens unvorbereitet und lang blieben die Ideen auch nicht liegen. Viel zu schnell waren sie dahin geschmolzen, als seien sie niemals da, sondern nur eine Einbildung gewesen. Deshalb musste man die festhalten, sie konservieren, damit sie nicht verschwanden bevor man sich auf sie eingestellt hatte.
Mit zittrigen Beinen stand er auf und ging an die Wand. Er lief oder stand nicht mehr viel. Seitdem er hier war, in diesem furchtbar heißen, kalten Raum, saß er viel lieber. Oder er lag. Starrte an die Decke, die keineswegs blau war, sondern weiß! Das muss man sich auch mal vorstellen! Ein Raum, quadratisch in seiner Form, mit einem einzigen Fenster, das nach Norden ging, mit einem undefinierbaren Farbton an den Wänden und einem von Scheuermitteln verschandelten Blau von Fußboden. Aber mit weißer Decke! Mit weißer Decke! Das war wie Schnee. Der ist auch weiß. Weißer Schnee an der Decke. Dabei liegt Schnee doch am Boden und der Himmel ist blau. Also genau anders herum! Das musste er sich auch notieren. Mittlerweile sagte auch keiner mehr etwas dagegen. Man hatte ihm sogar einen Stift gegeben. Der schrieb zwar nicht gut, aber immerhin konnte er damit überhaupt die flüchtigen Gedanken festhalten. Das Kühlfach für seinen Kopf.
Die Wand mit dem Fenster war deshalb nicht mehr undefinierbar, sondern von feinen schwarzen Linien durchzogen. Manchmal ganze Sätze, dann wieder nur einzelne Worte. Zeichnen hatte er auch wollen, aber das konnte er nicht. Schon damals in der Schule, hatte er in Kunst immer schlechte Noten mit nach Hause gebracht. Seine Mutter hatte geschimpft, dass er sich nicht anstrengen könne und dass er sie enttäusche. Sein Vater war gegangen. Seine Mutter später auch. Und deshalb auch er. Aber anders als seine Eltern. Darüber hatte er nie schreiben oder reden wollen. Er dachte nicht einmal oft daran. Die Erinnerung an seine Eltern und an das, was geschehen war im letzten Jahr, gehörte nicht zu seinem Repertoire, war fort, wie die Eltern und er auch. An seine kleine Schwester dachte er manchmal. Wie es ihr wohl ginge jetzt, so alleine und verlassen.
Plötzlich war ihm kalt. Der Schnee an der Decke und der Himmel auf dem Boden hatten gemeinsame Sache gemacht und die Kälte zu ihm gebracht. Er ließ den Stift fallen und wälzte sich auf dem Boden, um die Flammen zu ersticken, die die Kälte entflammt hatte. Er drehte sich schreiend und kreischend auf dem kalten Blau und es brauchte eine zweite Nadel, um ihn zu sedieren, da er die erste abbrach in seiner Angst.
Nächste Woche war der große Tag. Als das Blau, auf dem er nun lag, immer dunkler wurde und irgendwann alles nur noch schwarz war, dachte er daran, wie viele Winter er noch hier bleiben müsste, wenn der Richter entschied. Dann verloren sich seine Gedanken im Strudel des Schlafes.
Dabei stimmte das gar nicht. Im Gegenteil, es war viel zu heiß hier! Schweißperlen rannen über seine Stirn, das weiße Leibchen klebte am Rücken wie eine zweite Haut, die sich nicht abhäuten ließ. Das musste man sich mal vorstellen! Ein kalt wirkender Raum mit brüllender Hitze darin! Wer sich so was nur einfallen lassen konnte. Bestimmt stammte das Konzept von einem ausländischen Architekten, einem dieser Maestros mit unaussprechlichem Namen und soviel Kreativität und Phantasie, dass es ihm schon wieder aus den Ohren herauskam. Der bestimmt in einem riesigen Loft wohnte und sich tausend verschiedene Frauen für tausend verschiedene Sexpraktiken mit abertausenden Orgasmen leistete. Solche machten solche Räume, kalt und heiß zugleich.
Er setzte sich in die Ecke und brütete vor sich hin. Der Gedanke an den Architekten war bereits wieder verflogen. Lange konnte er solche Ideen einfach nicht festhalten. Aber wenn sie kamen, dann kamen sie schnell und in Massen und dann mussten sie aufgeschrieben werden, denn Ideen und Gedanken waren wie der erste Schnee. Sie kamen unerwartet und brachten eine Ruhe mit sich, wie man sie all die Zeit vorher nicht kannte, aber man war meistens unvorbereitet und lang blieben die Ideen auch nicht liegen. Viel zu schnell waren sie dahin geschmolzen, als seien sie niemals da, sondern nur eine Einbildung gewesen. Deshalb musste man die festhalten, sie konservieren, damit sie nicht verschwanden bevor man sich auf sie eingestellt hatte.
Mit zittrigen Beinen stand er auf und ging an die Wand. Er lief oder stand nicht mehr viel. Seitdem er hier war, in diesem furchtbar heißen, kalten Raum, saß er viel lieber. Oder er lag. Starrte an die Decke, die keineswegs blau war, sondern weiß! Das muss man sich auch mal vorstellen! Ein Raum, quadratisch in seiner Form, mit einem einzigen Fenster, das nach Norden ging, mit einem undefinierbaren Farbton an den Wänden und einem von Scheuermitteln verschandelten Blau von Fußboden. Aber mit weißer Decke! Mit weißer Decke! Das war wie Schnee. Der ist auch weiß. Weißer Schnee an der Decke. Dabei liegt Schnee doch am Boden und der Himmel ist blau. Also genau anders herum! Das musste er sich auch notieren. Mittlerweile sagte auch keiner mehr etwas dagegen. Man hatte ihm sogar einen Stift gegeben. Der schrieb zwar nicht gut, aber immerhin konnte er damit überhaupt die flüchtigen Gedanken festhalten. Das Kühlfach für seinen Kopf.
Die Wand mit dem Fenster war deshalb nicht mehr undefinierbar, sondern von feinen schwarzen Linien durchzogen. Manchmal ganze Sätze, dann wieder nur einzelne Worte. Zeichnen hatte er auch wollen, aber das konnte er nicht. Schon damals in der Schule, hatte er in Kunst immer schlechte Noten mit nach Hause gebracht. Seine Mutter hatte geschimpft, dass er sich nicht anstrengen könne und dass er sie enttäusche. Sein Vater war gegangen. Seine Mutter später auch. Und deshalb auch er. Aber anders als seine Eltern. Darüber hatte er nie schreiben oder reden wollen. Er dachte nicht einmal oft daran. Die Erinnerung an seine Eltern und an das, was geschehen war im letzten Jahr, gehörte nicht zu seinem Repertoire, war fort, wie die Eltern und er auch. An seine kleine Schwester dachte er manchmal. Wie es ihr wohl ginge jetzt, so alleine und verlassen.
Plötzlich war ihm kalt. Der Schnee an der Decke und der Himmel auf dem Boden hatten gemeinsame Sache gemacht und die Kälte zu ihm gebracht. Er ließ den Stift fallen und wälzte sich auf dem Boden, um die Flammen zu ersticken, die die Kälte entflammt hatte. Er drehte sich schreiend und kreischend auf dem kalten Blau und es brauchte eine zweite Nadel, um ihn zu sedieren, da er die erste abbrach in seiner Angst.
Nächste Woche war der große Tag. Als das Blau, auf dem er nun lag, immer dunkler wurde und irgendwann alles nur noch schwarz war, dachte er daran, wie viele Winter er noch hier bleiben müsste, wenn der Richter entschied. Dann verloren sich seine Gedanken im Strudel des Schlafes.
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Sandsturn (März 2007)
Am Dienstag, 1. Mai 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Im Morgengrauen, als die von Osten aufsteigende Helligkeit ganz langsam begann die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen...
...blinzelte er in die staubige Umgebung. Am Horizont flimmerte die Luft und ließ in ihm die Vorstellung eines Ofeninneren wachsen. Wie lange lag er nun schon hier, regungslos und still, Freunde und auch Fremde um ihn herum? Es mussten Tage sein. Vielleicht eine Woche. Er hatte nach ein paar Nächten das Zählen aufgegeben und sich lieber ängstlich in die Erdkuhle geduckt. Um ihn herum war es heute still, nur in der weiten Ferne hörte es das dumpfe Schlagen der Gegner, das leise Zischen ihrer Waffen, irgendeiner brüllte Befehle, kurz darauf ein Knall, dann Stille.
Er tastete nach seinem Bein, um zu sehen, ob es noch dort war, wo er es vor ein paar Stunden noch zu spüren vermocht hatte. Das taube Gefühl war an seiner Wade entlanggekrochen, wie ein Parasit hatte es sich nach und nach seines kompletten Unterschenkel bemächtigt und hatte nicht aufgehört, auch den Rest zu erobern. Irgendwann war ein stechender Schmerz durch seine Nerven gezogen, kurz danach hatte er das Gefühl für sein Bein verloren. Seine Hand massierte die Wade, sie war immer noch an der Stelle wo sie zu sein hatte, aber sie war zu einem leblosen Klumpen Fleisch verkommen. Die Blutung hatte nachgelassen, immerhin. Er betrachtete seine Hände, die schwarz vom getrockneten Blut und dem Sand waren. Kleine Brandblasen hatten sich herausgebildet, zu lange hatte er den Rat der anderen nicht ernst genommen, sich die Handschuhe anzuziehen zum Schutz vor dem brennend heißen Sand. Jetzt war er schlauer.
Zu seiner Linken regte sich etwas. War es ein Freund oder hatte einer der anderen überlebt? Sein Herz schlug schneller, machte ihm das Atmen schwer. Er verlor sich in Gedanken an seine Frau. Er stellte sich vor, wie sie gerade aufstand und im Badezimmer ihr langes Haar zu bürsten begann. 40 Striche links, 40 rechts. Danach trug sie ihre Creme auf und tuschte ganz leicht ihre Wimpern. Sie hatte es nicht nötig, Make-up zu tragen, denn sie war wunderschön so wie sie war. Deshalb liebte er sie so sehr. Er liebte ihre Natürlichkeit und ihr Lachen, wenn sie ihren Kopf leicht nach hinten warf dabei. Er dachte an ihre Hüften, wie sie sich beim Tanzen an ihn schmiegten und er den Verstand verlor aus Liebe zu ihr. Wie gerne würde er jetzt bei ihr sein und gemeinsam mit ihr Frühstücken. Stattdessen lag er hier im gottverdammten heißen Sand, mit einem Bein, das er nicht mehr spürte und dieser hässlichen Wut im Bauch. Er war selber Schuld. Er hatte sich freiwillig gemeldet für diesen Höllentrip. Gierig auf eine gute Story hatte er alle Ängste und Zweifel beiseite gewischt und war den Soldaten in den Sand gefolgt. Jetzt waren sie allesamt tot und er hier. Allein. Im besten Fall. Falls die anderen nicht überlebt hatten.
Die Augen seines Gegenübers flimmerten wie der Horizont, nur aus Hass statt durch die aufkommende Hitze. Er hatte wunderschöne, tief braune Pupillen, man sah ihnen an, dass sie bereits sehr viel Leid und Grausamkeit gesehen hatten. Sie waren auch bereit, aus eigenen Stücken grausam zu sein. Es war Krieg, es gab keine Freunde, keine Trennlinie, die Gut und Böse unterscheiden ließ, keine Moral, wenn man selber überleben wollte. Er hatte zur Sicherheit eine Waffe bekommen. Als der Angriff auf sie gestartet worden war, hatte er nur einen Schuss abgegeben, in die Luft, zur Warnung. Er war kein Mörder. Er konnte nicht schießen. Hätte er es dennoch getan, wäre die Splittergranate nicht bei ihnen gelandet, sondern in den Händen ihres Werfers hochgegangen. Wäre es besser gewesen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wer konnte das schon sagen? War entschied hier über Richtig und Falsch? Wer setzte Regeln? Er nicht, dessen war er sich sicher.
„Tu es nicht“, flehte er sein Gegenüber mit den Augen an. „Lass sie liegen, renn fort, tu es nicht.“ Seine Kehle war trocken, verstaubt, er brachte schon länger keine Worte mehr heraus. Eindringlich ließ er seine Augen sprechen. „Tu es nicht.“ Immer wieder schrie er diese Worte aus seinen Pupillen heraus.
Sein Gegenüber verstand ihn. Er tat es dennoch.
Die Kugel traf den Körper oberhalb des Kehlkopfes. Sie durchpflügte die Haut und riss das Fleisch von den Muskeln. Ein leises Röcheln hing wie der feine Sandstaub in der Luft. Dann sackte der Getroffene zusammen. Eine Marionette, der man die Fäden kappte, dachte er sich. Eigentlich hatte er auf die Brust gezielt. Er war kein guter Schütze, wie auch. Er hatte nur eine Story gewollt, eine „von innen“, die einschlug wie eine Bombe. Würde er überleben und nach Hause kommen, er hatte sie sicher. Es würde eine Story über den Krieg und den Hass, der im Sand tobte. Es würde eine über ihn und seine Ängste. Er würde darüber schreiben, was er hier erlebt hatte und wie schwer es ihm gefallen war, sich zu verteidigen.
Dass er einen Jungen erschossen hatte, kaum älter als zwölf, in dessen Augen der Hass flimmerte wie die Luft am Horizont dort im Osten, wo die Helligkeit durch die Dunkelheit brach, würde er nicht schreiben.
Die Sonne begann ihn zu blenden. Es war wieder alles still. Selbst in der Ferne schien man eine Gedenkminute eingelegt zu haben. Über die Stille wollte er schreiben. Über diese quälende Stille, hier im gottverdammten heißen Sand.
...blinzelte er in die staubige Umgebung. Am Horizont flimmerte die Luft und ließ in ihm die Vorstellung eines Ofeninneren wachsen. Wie lange lag er nun schon hier, regungslos und still, Freunde und auch Fremde um ihn herum? Es mussten Tage sein. Vielleicht eine Woche. Er hatte nach ein paar Nächten das Zählen aufgegeben und sich lieber ängstlich in die Erdkuhle geduckt. Um ihn herum war es heute still, nur in der weiten Ferne hörte es das dumpfe Schlagen der Gegner, das leise Zischen ihrer Waffen, irgendeiner brüllte Befehle, kurz darauf ein Knall, dann Stille.
Er tastete nach seinem Bein, um zu sehen, ob es noch dort war, wo er es vor ein paar Stunden noch zu spüren vermocht hatte. Das taube Gefühl war an seiner Wade entlanggekrochen, wie ein Parasit hatte es sich nach und nach seines kompletten Unterschenkel bemächtigt und hatte nicht aufgehört, auch den Rest zu erobern. Irgendwann war ein stechender Schmerz durch seine Nerven gezogen, kurz danach hatte er das Gefühl für sein Bein verloren. Seine Hand massierte die Wade, sie war immer noch an der Stelle wo sie zu sein hatte, aber sie war zu einem leblosen Klumpen Fleisch verkommen. Die Blutung hatte nachgelassen, immerhin. Er betrachtete seine Hände, die schwarz vom getrockneten Blut und dem Sand waren. Kleine Brandblasen hatten sich herausgebildet, zu lange hatte er den Rat der anderen nicht ernst genommen, sich die Handschuhe anzuziehen zum Schutz vor dem brennend heißen Sand. Jetzt war er schlauer.
Zu seiner Linken regte sich etwas. War es ein Freund oder hatte einer der anderen überlebt? Sein Herz schlug schneller, machte ihm das Atmen schwer. Er verlor sich in Gedanken an seine Frau. Er stellte sich vor, wie sie gerade aufstand und im Badezimmer ihr langes Haar zu bürsten begann. 40 Striche links, 40 rechts. Danach trug sie ihre Creme auf und tuschte ganz leicht ihre Wimpern. Sie hatte es nicht nötig, Make-up zu tragen, denn sie war wunderschön so wie sie war. Deshalb liebte er sie so sehr. Er liebte ihre Natürlichkeit und ihr Lachen, wenn sie ihren Kopf leicht nach hinten warf dabei. Er dachte an ihre Hüften, wie sie sich beim Tanzen an ihn schmiegten und er den Verstand verlor aus Liebe zu ihr. Wie gerne würde er jetzt bei ihr sein und gemeinsam mit ihr Frühstücken. Stattdessen lag er hier im gottverdammten heißen Sand, mit einem Bein, das er nicht mehr spürte und dieser hässlichen Wut im Bauch. Er war selber Schuld. Er hatte sich freiwillig gemeldet für diesen Höllentrip. Gierig auf eine gute Story hatte er alle Ängste und Zweifel beiseite gewischt und war den Soldaten in den Sand gefolgt. Jetzt waren sie allesamt tot und er hier. Allein. Im besten Fall. Falls die anderen nicht überlebt hatten.
Die Augen seines Gegenübers flimmerten wie der Horizont, nur aus Hass statt durch die aufkommende Hitze. Er hatte wunderschöne, tief braune Pupillen, man sah ihnen an, dass sie bereits sehr viel Leid und Grausamkeit gesehen hatten. Sie waren auch bereit, aus eigenen Stücken grausam zu sein. Es war Krieg, es gab keine Freunde, keine Trennlinie, die Gut und Böse unterscheiden ließ, keine Moral, wenn man selber überleben wollte. Er hatte zur Sicherheit eine Waffe bekommen. Als der Angriff auf sie gestartet worden war, hatte er nur einen Schuss abgegeben, in die Luft, zur Warnung. Er war kein Mörder. Er konnte nicht schießen. Hätte er es dennoch getan, wäre die Splittergranate nicht bei ihnen gelandet, sondern in den Händen ihres Werfers hochgegangen. Wäre es besser gewesen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wer konnte das schon sagen? War entschied hier über Richtig und Falsch? Wer setzte Regeln? Er nicht, dessen war er sich sicher.
„Tu es nicht“, flehte er sein Gegenüber mit den Augen an. „Lass sie liegen, renn fort, tu es nicht.“ Seine Kehle war trocken, verstaubt, er brachte schon länger keine Worte mehr heraus. Eindringlich ließ er seine Augen sprechen. „Tu es nicht.“ Immer wieder schrie er diese Worte aus seinen Pupillen heraus.
Sein Gegenüber verstand ihn. Er tat es dennoch.
Die Kugel traf den Körper oberhalb des Kehlkopfes. Sie durchpflügte die Haut und riss das Fleisch von den Muskeln. Ein leises Röcheln hing wie der feine Sandstaub in der Luft. Dann sackte der Getroffene zusammen. Eine Marionette, der man die Fäden kappte, dachte er sich. Eigentlich hatte er auf die Brust gezielt. Er war kein guter Schütze, wie auch. Er hatte nur eine Story gewollt, eine „von innen“, die einschlug wie eine Bombe. Würde er überleben und nach Hause kommen, er hatte sie sicher. Es würde eine Story über den Krieg und den Hass, der im Sand tobte. Es würde eine über ihn und seine Ängste. Er würde darüber schreiben, was er hier erlebt hatte und wie schwer es ihm gefallen war, sich zu verteidigen.
Dass er einen Jungen erschossen hatte, kaum älter als zwölf, in dessen Augen der Hass flimmerte wie die Luft am Horizont dort im Osten, wo die Helligkeit durch die Dunkelheit brach, würde er nicht schreiben.
Die Sonne begann ihn zu blenden. Es war wieder alles still. Selbst in der Ferne schien man eine Gedenkminute eingelegt zu haben. Über die Stille wollte er schreiben. Über diese quälende Stille, hier im gottverdammten heißen Sand.
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Unkraut vergeht nicht (Januar 2007)
Am Dienstag, 1. Mai 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
„Zum letzten Mal: Kopf oder Zahl?" fragte sie noch einmal, bevor sie die Münze in die Luft warf.
Die Münze flog keineswegs hoch, noch drehte sie sich filmreif, vielmehr schien sie sich an ihre Umgebung anzupassen, indem sie gemächlich wurde, ja beinahe in der Luft stehen bleiben zu drohte. Beäugt von zwei Augenpaaren erreichte sie ihren dürftigen Höhepunkt im Flug und segelte dann wieder herab. Vorbei an der zittrigen Hand, die sie geworfen hatte. Vorbei an der Tischkante mit dem Spitzendeckchen darauf und vorbei an der Vase mit den frischen Schnittblumen. Mit einem Klirren schlug sie auf das Laminat und rollte unter den antiken Eichenschrank.
„Das hast du jetzt von deiner Spielsucht“, keifte Elisabeth und schaute ihr Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen an.
Die winkte ab und setzte sich auf den zweiten Stuhl, an den Tisch mit dem Spitzendeckchen und der Vase mit den frischen Schnittblumen. „Ach, Spielsucht! Du musst immer übertreiben. Spielsucht ist, wenn ich meine Rente in einem Casino auf Rot setzen und Schwarz kommen würde. Das hier ist kontrolliertes Risiko.“
„Du hattest noch nie Glück im Spiel.“
„Du, meine liebe Elisabeth, hattest noch nie Glück im Spiel! Ich hatte schon einmal vier Richtige im Samstagslotto!“
„Und nichts davon ist geblieben, Trudi. Hast alles verplämmpert!“ Elisabeth verschränkte die Arme und blitzte Trudi ein weiteres Mal an. Diese winkte abermals ab und holte tief Luft. Ein Röcheln ging durch ihre Bronchien.
„Wieder diese Übertreibung! Verplämmert, pah! Gelebt, habe ich, mehr nicht und auch nicht weniger. Hätte dir auch einmal gut getan, Lissi.“
„Willst du die Münze nicht aufheben und noch mal werfen? Vorher bekommst du doch gar keine Ruhe.“
„Lass den Zivi mal kommen, dann werd ich schon ruhig“, erwiderte Trudi und begann an ihrer Strickjacke zu nesteln. „Außerdem, wie soll ich denn jetzt bitte mit meiner Hüfte auf dem Boden herumwuseln und halb unter den Schrank kriechen?“
„Tu nicht so wehleidig, du bist diejenige, die noch laufen kann. Ich kann dir natürlich auch gerne den Rollstuhl anbieten! Und wenn wir schon dabei sind, biete ich dir direkt die Inkontinenz an.“
„Hab ich selber, danke.“
Elisabeth lehnte sich hervor und schaute auf die große Uhr mit den silbernen Ziffernblättern und dem goldenen Rand. „Die geht falsch“, stellte sie fest.
„Die steht“, ergänzte Trudi trotzig und hob sich aus dem Stuhl. „Unter den Schrank kann ich vielleicht nicht greifen, aber vielleicht hinein. Likörchen?“
Elisabeths Augen leuchteten aufgrund der neuen Situation. „Pflaume?“, fragte sie vorsichtig.
„Zwetschge!“
„Das ist doch Pflaume!“
„Ich werde dir den Unterschied wohl nie beibringen können“, schüttelte Trudi den Kopf und öffnete eine Schranktür, um aus einem Stoß Wäsche eine Flasche Likör hinauszukramen. Ein gutes Versteck für die kleinen Geschenke, die man sich beizeiten selber macht, war das A und O, hatte Trudi sehr schnell festgestellt. Sie hielt nichts davon, auf all ihre Sachen kleine Namensaufkleber anzubringen, nur damit die irgendwann doch jemand abzog und ihre Sachen annektierte. Außerdem war so was Paranoia und die befiel nur Hausfrauen und alte Menschen – Hausfrau war sie nicht mehr, alt noch nicht, wenn es nach ihrer Zeitrechnung ging.
„Genauso wenig wie den Unterschied zwischen Spielsucht und kontrolliertem Risiko.“
„Ich höre dir genau zu, meine Liebe, sprich dich nur aus. Aber lass mich vorher die Pillen nehmen, damit mein Leiden nicht so groß wird.“
Trudi schnalzte mit den Lippen, als sie mehrmals versuchte, die Flasche zu öffnen, aber jedes Mal an dem Schraubverschluss scheiterte. „Mistding! Am Ende muss ich sie wieder den Zivi öffnen lassen und dann hab ich den Ärger.“
„Sagt er was?“, wollte Elisabeth ernstlich besorgt wissen.
Trudi tat eine letzte Kraftanstrengung und hielt eine Sekunde später triumphierend den Verschluss in den faltigen Händen. „Iwo, der trinkt mir alles weg! Das ist viel schlimmer. Letztens saß er mit mir eine halbe Stunde zusammen und hat mir die halbe Flasche leer gemacht, der Bengel. Ich sollte ihm das nächste Mal den Selbstgebrannten hinstellen, dann erfährt der Jungspund mal, was Rachenbrand ist.“
„Du bist fies, Trudi! Der Zivi ist äußerst nett, so einen netten hatten wir seit Jahren nicht.“
„Der schummelt beim Skat!“
„Tust du doch auch!“
„Das hab ich gar nicht nötig, meine Liebe“, wiegelte Elisabeth sichtlich entrüstet ab. Es war eine Sache sie im Bezug auf den Charakter des Zivis zurechtzuweisen, aber eine ganz andere, ihre Ehre im Skatspiel infrage zu stellen.
Sie schenkte Elisabeth und sich in zwei Wassergläser großzügig ein und verstaute dann die Flasche wieder im Schrank.
„Wohlsein!“
„Wohlsein!“
Beide nippten genüsslich an ihren Gläsern und rollten sie zwischen den knöchrig gewordenen Händen. Diese kleinen Laster waren das Einzige, was den beiden geblieben war. In einem Altenheim gab es nicht sehr viel Freude, kaum Abwechslung und noch weniger Grund zum Leben.
„Hast du den neuen Pfleger schon gesehen?“, fragte Trudi kichernd. Der Likör stieg ihr bereits ein wenig zu Kopf, sie war Alkohol seit der Hüftoperation nicht mehr gewohnt. „Ein lecker Mann, ist das! Jung, drahtig, humorvoll. Der weiß eine Dame noch mit Respekt zu behandeln. Und er hat mir gestern zugezwinkert.“
„Ihm ist etwas ins Auge geflogen“, spottete Elisabeth und nahm noch einen großen Schluck.
„Tze, so wie Erwin `79 nur etwas ins Age geflogen war?“
„Ach, Erwin! Der alte Bock hatte seine Hände doch unter jedem Mieder. Hatte der sein Kölsch und seine Salami war der doch schon im Hafen. Keine Ahnung von Frauen, der Mann. Immer nur am Herumhalodern, kein Wunder, dass er an einem Herzinfarkt gestorben ist.“
„Unter deinem Mieder war er nicht“, stellte Trudi fest, ohne mit Elisabeth Blickkontakt aufzunehmen. Sie wusste um das Risiko, das dieses Thema darbot.
Elisabeth schien eine Sekunde in Erinnerungen versunken, dann schmunzelte sie leicht. „Ja, weil ich damals Kopf gesagt habe und du Zahl“, meinte sie dann und kippte den restlichen Likör hinunter.
Die Münze flog keineswegs hoch, noch drehte sie sich filmreif, vielmehr schien sie sich an ihre Umgebung anzupassen, indem sie gemächlich wurde, ja beinahe in der Luft stehen bleiben zu drohte. Beäugt von zwei Augenpaaren erreichte sie ihren dürftigen Höhepunkt im Flug und segelte dann wieder herab. Vorbei an der zittrigen Hand, die sie geworfen hatte. Vorbei an der Tischkante mit dem Spitzendeckchen darauf und vorbei an der Vase mit den frischen Schnittblumen. Mit einem Klirren schlug sie auf das Laminat und rollte unter den antiken Eichenschrank.
„Das hast du jetzt von deiner Spielsucht“, keifte Elisabeth und schaute ihr Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen an.
Die winkte ab und setzte sich auf den zweiten Stuhl, an den Tisch mit dem Spitzendeckchen und der Vase mit den frischen Schnittblumen. „Ach, Spielsucht! Du musst immer übertreiben. Spielsucht ist, wenn ich meine Rente in einem Casino auf Rot setzen und Schwarz kommen würde. Das hier ist kontrolliertes Risiko.“
„Du hattest noch nie Glück im Spiel.“
„Du, meine liebe Elisabeth, hattest noch nie Glück im Spiel! Ich hatte schon einmal vier Richtige im Samstagslotto!“
„Und nichts davon ist geblieben, Trudi. Hast alles verplämmpert!“ Elisabeth verschränkte die Arme und blitzte Trudi ein weiteres Mal an. Diese winkte abermals ab und holte tief Luft. Ein Röcheln ging durch ihre Bronchien.
„Wieder diese Übertreibung! Verplämmert, pah! Gelebt, habe ich, mehr nicht und auch nicht weniger. Hätte dir auch einmal gut getan, Lissi.“
„Willst du die Münze nicht aufheben und noch mal werfen? Vorher bekommst du doch gar keine Ruhe.“
„Lass den Zivi mal kommen, dann werd ich schon ruhig“, erwiderte Trudi und begann an ihrer Strickjacke zu nesteln. „Außerdem, wie soll ich denn jetzt bitte mit meiner Hüfte auf dem Boden herumwuseln und halb unter den Schrank kriechen?“
„Tu nicht so wehleidig, du bist diejenige, die noch laufen kann. Ich kann dir natürlich auch gerne den Rollstuhl anbieten! Und wenn wir schon dabei sind, biete ich dir direkt die Inkontinenz an.“
„Hab ich selber, danke.“
Elisabeth lehnte sich hervor und schaute auf die große Uhr mit den silbernen Ziffernblättern und dem goldenen Rand. „Die geht falsch“, stellte sie fest.
„Die steht“, ergänzte Trudi trotzig und hob sich aus dem Stuhl. „Unter den Schrank kann ich vielleicht nicht greifen, aber vielleicht hinein. Likörchen?“
Elisabeths Augen leuchteten aufgrund der neuen Situation. „Pflaume?“, fragte sie vorsichtig.
„Zwetschge!“
„Das ist doch Pflaume!“
„Ich werde dir den Unterschied wohl nie beibringen können“, schüttelte Trudi den Kopf und öffnete eine Schranktür, um aus einem Stoß Wäsche eine Flasche Likör hinauszukramen. Ein gutes Versteck für die kleinen Geschenke, die man sich beizeiten selber macht, war das A und O, hatte Trudi sehr schnell festgestellt. Sie hielt nichts davon, auf all ihre Sachen kleine Namensaufkleber anzubringen, nur damit die irgendwann doch jemand abzog und ihre Sachen annektierte. Außerdem war so was Paranoia und die befiel nur Hausfrauen und alte Menschen – Hausfrau war sie nicht mehr, alt noch nicht, wenn es nach ihrer Zeitrechnung ging.
„Genauso wenig wie den Unterschied zwischen Spielsucht und kontrolliertem Risiko.“
„Ich höre dir genau zu, meine Liebe, sprich dich nur aus. Aber lass mich vorher die Pillen nehmen, damit mein Leiden nicht so groß wird.“
Trudi schnalzte mit den Lippen, als sie mehrmals versuchte, die Flasche zu öffnen, aber jedes Mal an dem Schraubverschluss scheiterte. „Mistding! Am Ende muss ich sie wieder den Zivi öffnen lassen und dann hab ich den Ärger.“
„Sagt er was?“, wollte Elisabeth ernstlich besorgt wissen.
Trudi tat eine letzte Kraftanstrengung und hielt eine Sekunde später triumphierend den Verschluss in den faltigen Händen. „Iwo, der trinkt mir alles weg! Das ist viel schlimmer. Letztens saß er mit mir eine halbe Stunde zusammen und hat mir die halbe Flasche leer gemacht, der Bengel. Ich sollte ihm das nächste Mal den Selbstgebrannten hinstellen, dann erfährt der Jungspund mal, was Rachenbrand ist.“
„Du bist fies, Trudi! Der Zivi ist äußerst nett, so einen netten hatten wir seit Jahren nicht.“
„Der schummelt beim Skat!“
„Tust du doch auch!“
„Das hab ich gar nicht nötig, meine Liebe“, wiegelte Elisabeth sichtlich entrüstet ab. Es war eine Sache sie im Bezug auf den Charakter des Zivis zurechtzuweisen, aber eine ganz andere, ihre Ehre im Skatspiel infrage zu stellen.
Sie schenkte Elisabeth und sich in zwei Wassergläser großzügig ein und verstaute dann die Flasche wieder im Schrank.
„Wohlsein!“
„Wohlsein!“
Beide nippten genüsslich an ihren Gläsern und rollten sie zwischen den knöchrig gewordenen Händen. Diese kleinen Laster waren das Einzige, was den beiden geblieben war. In einem Altenheim gab es nicht sehr viel Freude, kaum Abwechslung und noch weniger Grund zum Leben.
„Hast du den neuen Pfleger schon gesehen?“, fragte Trudi kichernd. Der Likör stieg ihr bereits ein wenig zu Kopf, sie war Alkohol seit der Hüftoperation nicht mehr gewohnt. „Ein lecker Mann, ist das! Jung, drahtig, humorvoll. Der weiß eine Dame noch mit Respekt zu behandeln. Und er hat mir gestern zugezwinkert.“
„Ihm ist etwas ins Auge geflogen“, spottete Elisabeth und nahm noch einen großen Schluck.
„Tze, so wie Erwin `79 nur etwas ins Age geflogen war?“
„Ach, Erwin! Der alte Bock hatte seine Hände doch unter jedem Mieder. Hatte der sein Kölsch und seine Salami war der doch schon im Hafen. Keine Ahnung von Frauen, der Mann. Immer nur am Herumhalodern, kein Wunder, dass er an einem Herzinfarkt gestorben ist.“
„Unter deinem Mieder war er nicht“, stellte Trudi fest, ohne mit Elisabeth Blickkontakt aufzunehmen. Sie wusste um das Risiko, das dieses Thema darbot.
Elisabeth schien eine Sekunde in Erinnerungen versunken, dann schmunzelte sie leicht. „Ja, weil ich damals Kopf gesagt habe und du Zahl“, meinte sie dann und kippte den restlichen Likör hinunter.
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Pont Rosé (November 2006)
Am Dienstag, 1. Mai 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Da stand ich und wartete auf sie.
An unserer Brücke, die über den kleinen Bach geht, wo wir schon als Kinder kleine Staudämme gebaut, wo wir uns das erste Mal als Jugendliche geküsst hatten und wo ich ihr das letzte Mal fast das Herz gebrochen hatte.
Ich konnte meinen Atem in der Luft sehen. Sie hatte mir einmal im Streit gesagt, es sei alles nur heißer Dampf, was aus meinem Mund käme, ich würde es nicht ernst meinen. Damals hatte sie Recht behalten. Doch sie hatte mich weiter geliebt, als seien meine Fehler nicht das große Schlimme an mir.
Zwei Jahre hatte ich sie jetzt schon nicht mehr gesehen. Als der Brief mit den zarten Roséwasserzeichen in meinem Postkasten lag, hatte ich gar nicht glauben wollen, dass sie mir geschrieben hatte. Von einem Freund erfuhr ich, dass sie wieder in der Stadt sei und nach mir gefragt habe. Auch das wollte ich erst gar nicht glauben. Alles schien so arrangiert, so unwirklich. Sie? Nach mir gefragt? Nach allem, was zwischen uns geschehen war? Das konnte eigentlich nicht sein. Aber wenn mir ein Mensch auf der Welt meine Fehler verzieh, dann war sie es.
Zwischen den kahlen Eichenästen sah ich sie. Sie trug einen erdbraunen, knielangen Mantel, der ihre Taille betonte. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem Dutt hochgesteckt, es machte sie streng, doch das tat ihrer Schönheit nichts. Sie eilte zu mir, mir entgegen, wie ein kleines Kind zu seinem Großvater läuft, den es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Sie lächelte sanft und nahm mich in den Arm.
Ich erkannte den zarten Duft ihres Parfums wieder. Es war genau der Duft, mit dem sie mich verabschiedet hatte, damals. Sie strich mir durch das Haar, musste sich dabei auf die Zehenspitzen stellen, um mich zu erreichen.
„Du bist grau geworden“, sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht und schaute mich mit wunderschönen Augen an.
„Und du bist immer noch so schön wie früher“, flüsterte ich aus Angst, meine Stimme könnte vor Aufregung versagen. Ich drückte sie fest an mich und schaute ihr in die Seele. Sie hatte sich verändert, ich wusste nicht mehr, was ich sah, aber es war nicht die Frau, die mich verlassen hatte. Wie konnte sie es auch sein, nach solch langer Zeit? Kein Mensch bleibt derselbe über so lange Zeit. Ich konnte es auch nicht von meiner großen Liebe erwarten.
Die Trauerweiden warfen ihre Äste in den kleinen Bach. Ich erinnerte mich, wie ich sie geliebt hatte, unter einem dieser Bäume, wie er uns beschützt hatte als wir wie Adam und Eva dort lagen und glaubten, wir könnten jetzt die einzigen Menschen in der Welt sein. Eine kleine Träne sammelte sich in meinem Augenwinkel. Ich wollte sie zurückhalten, aber da war es schon zu spät.
„Du darfst jetzt nicht weinen“, flüsterte sie und nahm meine Hand. Sie war weich und warm, aber sie hielt mich fester als erwartet. Eine zweite Träne fand ihren Weg auf meine Wange. „Ich hätte dich nicht um dieses Treffen bitten sollen“, sagte sie und drehte sich zum Gehen um.
„Warte bitte“, rief ich lauter als gewollt. Sie drehte sich um und schaute mich traurig an. „Geh noch nicht, ich habe dir noch soviel zu sagen. Bitte.“
„Ich muss. Mein Mann wartet auf mich.“
„Wie geht es ihr?“
„Sie wird groß. Sie hat deine Augen und dein Temperament“, sagte sie und schaute zu Boden.
Ich hatte meine Tochter noch nie gesehen. Nur ein kleines Foto war beigelegt gewesen, in dem Brief. Ich hatte lesen dürfen, dass sie eine Begabung für die Musik entwickelte, dass sie bereits jetzt in jungen Jahren eine Musikschule besuchen sollte, um ihr Talent zu fördern. Die Tinte war unter meiner Rührung immer mehr zu einem kleinen, blauen See verflossen.
„Ich liebe dich“, kam es zitternd aus meinem Herzen und ganz unerwartet, auch für mich.
Sie schien sichtlich ergriffen durch meine Worte. Ich beobachtete den heißen Atemdampf, der aus meinen Lungen entwich und fokussierte ihn, so dass sie im Hintergrund verschwamm wie eine Weichzeichnung.
„Ich gehe jetzt“, sagte sie leise und wischte sich eine Träne aus den dezent geschminkten Augen. „Ich werde deiner Tochter sagen, dass du sie liebst.“
„Und sie wird deinem Mann in den Arm laufen und ihm einen Kuss geben und sagen, dass sie ihn auch liebt“, erwiderte ich mit ungewollter Verachtung. „Und du wirst zuschauen und nichts sagen können.“
„Ja, so wird es sein“, sagte sie mit fester Stimme und ging.
Ich blickte ihr noch eine Minute hinterher, sah zu, wie sie in einen grauen Wagen stieg und davonfuhr. Zu ihrem Mann und ihrer Tochter, die ich damals nicht haben wollte. Ich schaute auf den kleinen Bach und wünschte mich in die alte Zeit zurück, um meine Fehler zu korrigieren. Sie hatte sie mir vielleicht verziehen, ich mir jedoch nie.
An unserer Brücke, die über den kleinen Bach geht, wo wir schon als Kinder kleine Staudämme gebaut, wo wir uns das erste Mal als Jugendliche geküsst hatten und wo ich ihr das letzte Mal fast das Herz gebrochen hatte.
Ich konnte meinen Atem in der Luft sehen. Sie hatte mir einmal im Streit gesagt, es sei alles nur heißer Dampf, was aus meinem Mund käme, ich würde es nicht ernst meinen. Damals hatte sie Recht behalten. Doch sie hatte mich weiter geliebt, als seien meine Fehler nicht das große Schlimme an mir.
Zwei Jahre hatte ich sie jetzt schon nicht mehr gesehen. Als der Brief mit den zarten Roséwasserzeichen in meinem Postkasten lag, hatte ich gar nicht glauben wollen, dass sie mir geschrieben hatte. Von einem Freund erfuhr ich, dass sie wieder in der Stadt sei und nach mir gefragt habe. Auch das wollte ich erst gar nicht glauben. Alles schien so arrangiert, so unwirklich. Sie? Nach mir gefragt? Nach allem, was zwischen uns geschehen war? Das konnte eigentlich nicht sein. Aber wenn mir ein Mensch auf der Welt meine Fehler verzieh, dann war sie es.
Zwischen den kahlen Eichenästen sah ich sie. Sie trug einen erdbraunen, knielangen Mantel, der ihre Taille betonte. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem Dutt hochgesteckt, es machte sie streng, doch das tat ihrer Schönheit nichts. Sie eilte zu mir, mir entgegen, wie ein kleines Kind zu seinem Großvater läuft, den es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Sie lächelte sanft und nahm mich in den Arm.
Ich erkannte den zarten Duft ihres Parfums wieder. Es war genau der Duft, mit dem sie mich verabschiedet hatte, damals. Sie strich mir durch das Haar, musste sich dabei auf die Zehenspitzen stellen, um mich zu erreichen.
„Du bist grau geworden“, sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht und schaute mich mit wunderschönen Augen an.
„Und du bist immer noch so schön wie früher“, flüsterte ich aus Angst, meine Stimme könnte vor Aufregung versagen. Ich drückte sie fest an mich und schaute ihr in die Seele. Sie hatte sich verändert, ich wusste nicht mehr, was ich sah, aber es war nicht die Frau, die mich verlassen hatte. Wie konnte sie es auch sein, nach solch langer Zeit? Kein Mensch bleibt derselbe über so lange Zeit. Ich konnte es auch nicht von meiner großen Liebe erwarten.
Die Trauerweiden warfen ihre Äste in den kleinen Bach. Ich erinnerte mich, wie ich sie geliebt hatte, unter einem dieser Bäume, wie er uns beschützt hatte als wir wie Adam und Eva dort lagen und glaubten, wir könnten jetzt die einzigen Menschen in der Welt sein. Eine kleine Träne sammelte sich in meinem Augenwinkel. Ich wollte sie zurückhalten, aber da war es schon zu spät.
„Du darfst jetzt nicht weinen“, flüsterte sie und nahm meine Hand. Sie war weich und warm, aber sie hielt mich fester als erwartet. Eine zweite Träne fand ihren Weg auf meine Wange. „Ich hätte dich nicht um dieses Treffen bitten sollen“, sagte sie und drehte sich zum Gehen um.
„Warte bitte“, rief ich lauter als gewollt. Sie drehte sich um und schaute mich traurig an. „Geh noch nicht, ich habe dir noch soviel zu sagen. Bitte.“
„Ich muss. Mein Mann wartet auf mich.“
„Wie geht es ihr?“
„Sie wird groß. Sie hat deine Augen und dein Temperament“, sagte sie und schaute zu Boden.
Ich hatte meine Tochter noch nie gesehen. Nur ein kleines Foto war beigelegt gewesen, in dem Brief. Ich hatte lesen dürfen, dass sie eine Begabung für die Musik entwickelte, dass sie bereits jetzt in jungen Jahren eine Musikschule besuchen sollte, um ihr Talent zu fördern. Die Tinte war unter meiner Rührung immer mehr zu einem kleinen, blauen See verflossen.
„Ich liebe dich“, kam es zitternd aus meinem Herzen und ganz unerwartet, auch für mich.
Sie schien sichtlich ergriffen durch meine Worte. Ich beobachtete den heißen Atemdampf, der aus meinen Lungen entwich und fokussierte ihn, so dass sie im Hintergrund verschwamm wie eine Weichzeichnung.
„Ich gehe jetzt“, sagte sie leise und wischte sich eine Träne aus den dezent geschminkten Augen. „Ich werde deiner Tochter sagen, dass du sie liebst.“
„Und sie wird deinem Mann in den Arm laufen und ihm einen Kuss geben und sagen, dass sie ihn auch liebt“, erwiderte ich mit ungewollter Verachtung. „Und du wirst zuschauen und nichts sagen können.“
„Ja, so wird es sein“, sagte sie mit fester Stimme und ging.
Ich blickte ihr noch eine Minute hinterher, sah zu, wie sie in einen grauen Wagen stieg und davonfuhr. Zu ihrem Mann und ihrer Tochter, die ich damals nicht haben wollte. Ich schaute auf den kleinen Bach und wünschte mich in die alte Zeit zurück, um meine Fehler zu korrigieren. Sie hatte sie mir vielleicht verziehen, ich mir jedoch nie.
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Vogelfrei (Oktober 2006)
Am Dienstag, 1. Mai 2007 im Topic 'Schreibwerkstatt'
Hinter dem Schuppen, an die Bretterwand gepresst…
…ist es oft sehr ruhig. Hier ist man frei von all den Zwängen, die die Welt einem aufladen will. Hier gibt es nur das Zirpen der Grillen, wenn es zum Abend hingeht und nur der feine Geruch der kleinen Bäckerei, wenn sie morgens neue Brötchen nachbackt. Der Duft steigt in die Höhe und wird nur von der leichten Brise bis hierhin getragen, der Wind muss also günstig stehen. Ist es nicht so, dann kommt hier nichts an von der Welt da draußen, den Kiesweg hinunter.
Sie schaut um die Ecke des Schuppens. Ihre Brust brennt vor Anstrengung, ihr Atem will aus den Lungen ausbrechen, doch stößt immer wieder an die undurchdringlichen Wände. Blinzelnd betrachtet sie den leicht welligen, graublauen Wasserteppich, auf dem sich die Abendsonne spiegelt und ein Farbenspiel einläutet, an dem sich auch der Himmel beteiligen möchte, so glanzvoll lässt er seine Wolkendecke aufbrechen für die Sonne und verwandelt den Horizont in eine Mär aus Feuer und Eis. Träge lassen die Trauerweiden ihre Äste in das Wasser hängen, ganz so, als suchten sie eine Erfrischung. Die Temperaturen sind bereits zurückgegangen, aber es hat kaum zur Erleichterung beigetragen. Die Medien sprechen wieder einmal von einem Rekordsommer – bereits der dritte in diesem jungen Jahrhundert.*
Sonne und Wärme. Das Alleinsein und der kühle See. Freundschaft und Liebe. Das alles hatte sie heute hierhin geführt. Isabel hatte bereits im Schilf gelegen und die Sonne ausgekostet. Ihre Haut hatte geglänzt von der Milchlotion, ihre Füße hatten miteinander gespielt wie zwei junge Hunde, die das erste Mal freien Auslauf bekamen. Isabel hatte sie gar nicht bemerkt, ihre Augen waren geschlossen gewesen, nur geblinzelt hatte sie manchmal. Einige Minuten war sie reglos neben ihr stehen geblieben, um ihren makellosen Körper zu betrachten. Sie wollte zusehen, wie sich die üppigen Rundungen im Schein der Sonne bräunten, wie die straffen Lenden glänzten, wollte mit den Augen den Weg der kleinen Schweißperle verfolgen, wie sie über den flachen Bauch glitt und sich dann zwischen den Schenkeln des Dreiecks fing.
Für sie, die still und mutig daneben stand, war Isabel der Inbegriff der Schönheit und zugleich die Quelle riesengroßen Neids.
„Du bist wunderschön“, hatte sie gesagt und damit Isabel aus ihren Träumen gerissen. Isabel hatte gelächelt und sich halb herumgedreht. Ihre schönen Brüste hatten auf den Oberarmen geruht und die weißen Zähne in ihrem zarten Schmollmündchen hatten mit der Sonne um die Wette geschienen. Sie hatte einfach nur gelächelt und schon war sie die Gewinnerin. Isabel konnte das gut. Immer war sie die Gewinnerin. Sie bekam das, was sie wollte und musste sich nicht einmal dafür anstrengen. Ihr flogen die Dinge zu, wie ein Vogel, der eine Tages unerwartet auf der Fensterbank sitzt und um den man sich dann kümmert, aus Mitleid und aus Zuneigung. Isabel kümmerte sich meist nur kurzfristig um ihre Vögel. Sie langweilten Verantwortung und Beständigkeit. Fast immer gingen die Vögel ein.
Ihre Bewunderin war da anders. Sie liebte das Langfristige, suchte immerzu nach dem anhaltenden Glück. Und sie wusste, dass man manchmal für sein Glück kämpfen musste, dass man manchmal nicht darum herumkam, für das Opfer zu bringen, was man liebte und behalten wollte. Nur so hatte sie auch mit ihm glücklich werden können, mit ihrem neuen Freund. Liebe trieb sie, aber auch Ängste, sie könnte nicht gut genug sein für ihn.
Sie hatte sich ausgezogen und sich neben Isabel gelegt. Ihr Körper war nicht annähernd so makellos wie der, der besten Freundin. Sie war nicht gesegnet worden mit einem Gewinnerlächeln, sie musste arbeiten und kämpfen für das, was sie haben wollte. Isabel redete nicht mit ihr, sie konzentrierte sich wieder auf das Braunwerden, das Schönsein, wie man es von ihr verlangte, wenn man eine braungebrannte Schönheit war.
Als ihre beste Freundin nähergerutscht war und mit ihren Fingern die Rundungen der Brüste nachgezeichnet hatte, schien Isabel es erst gar bemerkt zu haben, so ruhig und still war sie geblieben. Doch dann waren ihre Brustwarzen hart geworden und ihr Atem schneller. Eine ihrer Hände mit den langen, schlanken Fingern war den Bauch hinuntergerutscht und hatte begonnen, dem kleinen Schweißtropfen Gesellschaft zu leisten. Als eine Zunge ihre Brüste zu liebkosen begonnen hatte, hatte sich Isabel nicht mehr zurückgehalten, ließ stattdessen ihre Finger zwischen den Lippen kreisen und entfachte nicht nur dort ein Fegefeuer aus verbotener Lust. Auch ihre beste Freundin hatte schweren Atem, träumte sich in eine unbändige Leidenschaft.
„Lass uns schwimmen gehen“, hatte Isabel irgendwann gesagt und gelächelt und somit das Schwimmen unausweichlich werden lassen. Nackt und ohne weitere Scheu voneinander waren die beiden in den See gegangen, hatten sich dort unter Wasser berührt. Ihre Lippen waren aufeinander getroffen, ihre Zungen hatten sich zum Spiel zusammengefunden, wie zuvor Isabels Füße am Ufer. Immer wieder hatte sie Isabel ihre Finger spüren lassen, so dass diese lauter stöhnend, ihre Mauern fallen gelassen und sich hingegeben hatte.
Es war dieser eine Satz, den Isabel unbedacht hinausgestöhnt hatte, der alles beenden sollte. „Du bist fast so gut wie Tim.“ Sie hatte ihre Finger schlagartig zurückgezogen, doch Isabel hatte nur gelacht und sie angeschaut. „Was denn?“, hatte sie gefragt, als sei nichts gewesen. In Gedanken war sie bestimmt schon wieder bei einem ihrer anderen Vögelchen gewesen. Doch diesmal wurde sie um Aufmerksamkeit gebeten.*
Sie atmet jetzt wieder ruhig und regelmäßig. Ihre Gedanken sind geordnet, nicht mehr so chaotisch wie vorhin, als sie aus dem Wasser gestiegen war. Sie hatte sich abgetrocknet und angezogen, den Blick immer wieder auf Isabel gerichtet. Doch irgendwann hatte sie nicht mehr gekonnt und war hinter den Schuppen gelaufen. Hier sollte alles wieder gut werden, hier wollte sie die Ruhe wieder finden. Sie hatte ihre Aufregung einfach gegen das geblichene Holz gestoßen, hatte ihre Ängste und alles, was raus aus ihrem Körper sollte, hinausgebrochen.
Nun ist sie wieder stark, wieder sie selbst.
Isabel ist wohl zu Fuß gekommen, sie hingegen ist mit dem Fahrrad hier. Die untergehende Sonne nimmt nach und nach die Erinnerung und die Last von ihren Schultern. Tabula Rasa, denkt sie sich und schaut in die kleine rote Kugel dort hinten am Horizont, wie sie immer mehr von ihm aufgefressen wird, bis sie verschwunden ist. Jetzt will auch sie fort und schiebt ihr Fahrrad auf den schmalen Kiesweg, der ins Dorf führt, zur kleinen Bäckerei. Die Grillen zirpen und irgendwann verstummen auch sie, huldigen der neuen unbekannten Stille hier am See.
Auf der Wasseroberfläche zerplatzen kleine Bläschen.
…ist es oft sehr ruhig. Hier ist man frei von all den Zwängen, die die Welt einem aufladen will. Hier gibt es nur das Zirpen der Grillen, wenn es zum Abend hingeht und nur der feine Geruch der kleinen Bäckerei, wenn sie morgens neue Brötchen nachbackt. Der Duft steigt in die Höhe und wird nur von der leichten Brise bis hierhin getragen, der Wind muss also günstig stehen. Ist es nicht so, dann kommt hier nichts an von der Welt da draußen, den Kiesweg hinunter.
Sie schaut um die Ecke des Schuppens. Ihre Brust brennt vor Anstrengung, ihr Atem will aus den Lungen ausbrechen, doch stößt immer wieder an die undurchdringlichen Wände. Blinzelnd betrachtet sie den leicht welligen, graublauen Wasserteppich, auf dem sich die Abendsonne spiegelt und ein Farbenspiel einläutet, an dem sich auch der Himmel beteiligen möchte, so glanzvoll lässt er seine Wolkendecke aufbrechen für die Sonne und verwandelt den Horizont in eine Mär aus Feuer und Eis. Träge lassen die Trauerweiden ihre Äste in das Wasser hängen, ganz so, als suchten sie eine Erfrischung. Die Temperaturen sind bereits zurückgegangen, aber es hat kaum zur Erleichterung beigetragen. Die Medien sprechen wieder einmal von einem Rekordsommer – bereits der dritte in diesem jungen Jahrhundert.
Für sie, die still und mutig daneben stand, war Isabel der Inbegriff der Schönheit und zugleich die Quelle riesengroßen Neids.
„Du bist wunderschön“, hatte sie gesagt und damit Isabel aus ihren Träumen gerissen. Isabel hatte gelächelt und sich halb herumgedreht. Ihre schönen Brüste hatten auf den Oberarmen geruht und die weißen Zähne in ihrem zarten Schmollmündchen hatten mit der Sonne um die Wette geschienen. Sie hatte einfach nur gelächelt und schon war sie die Gewinnerin. Isabel konnte das gut. Immer war sie die Gewinnerin. Sie bekam das, was sie wollte und musste sich nicht einmal dafür anstrengen. Ihr flogen die Dinge zu, wie ein Vogel, der eine Tages unerwartet auf der Fensterbank sitzt und um den man sich dann kümmert, aus Mitleid und aus Zuneigung. Isabel kümmerte sich meist nur kurzfristig um ihre Vögel. Sie langweilten Verantwortung und Beständigkeit. Fast immer gingen die Vögel ein.
Ihre Bewunderin war da anders. Sie liebte das Langfristige, suchte immerzu nach dem anhaltenden Glück. Und sie wusste, dass man manchmal für sein Glück kämpfen musste, dass man manchmal nicht darum herumkam, für das Opfer zu bringen, was man liebte und behalten wollte. Nur so hatte sie auch mit ihm glücklich werden können, mit ihrem neuen Freund. Liebe trieb sie, aber auch Ängste, sie könnte nicht gut genug sein für ihn.
Sie hatte sich ausgezogen und sich neben Isabel gelegt. Ihr Körper war nicht annähernd so makellos wie der, der besten Freundin. Sie war nicht gesegnet worden mit einem Gewinnerlächeln, sie musste arbeiten und kämpfen für das, was sie haben wollte. Isabel redete nicht mit ihr, sie konzentrierte sich wieder auf das Braunwerden, das Schönsein, wie man es von ihr verlangte, wenn man eine braungebrannte Schönheit war.
Als ihre beste Freundin nähergerutscht war und mit ihren Fingern die Rundungen der Brüste nachgezeichnet hatte, schien Isabel es erst gar bemerkt zu haben, so ruhig und still war sie geblieben. Doch dann waren ihre Brustwarzen hart geworden und ihr Atem schneller. Eine ihrer Hände mit den langen, schlanken Fingern war den Bauch hinuntergerutscht und hatte begonnen, dem kleinen Schweißtropfen Gesellschaft zu leisten. Als eine Zunge ihre Brüste zu liebkosen begonnen hatte, hatte sich Isabel nicht mehr zurückgehalten, ließ stattdessen ihre Finger zwischen den Lippen kreisen und entfachte nicht nur dort ein Fegefeuer aus verbotener Lust. Auch ihre beste Freundin hatte schweren Atem, träumte sich in eine unbändige Leidenschaft.
„Lass uns schwimmen gehen“, hatte Isabel irgendwann gesagt und gelächelt und somit das Schwimmen unausweichlich werden lassen. Nackt und ohne weitere Scheu voneinander waren die beiden in den See gegangen, hatten sich dort unter Wasser berührt. Ihre Lippen waren aufeinander getroffen, ihre Zungen hatten sich zum Spiel zusammengefunden, wie zuvor Isabels Füße am Ufer. Immer wieder hatte sie Isabel ihre Finger spüren lassen, so dass diese lauter stöhnend, ihre Mauern fallen gelassen und sich hingegeben hatte.
Es war dieser eine Satz, den Isabel unbedacht hinausgestöhnt hatte, der alles beenden sollte. „Du bist fast so gut wie Tim.“ Sie hatte ihre Finger schlagartig zurückgezogen, doch Isabel hatte nur gelacht und sie angeschaut. „Was denn?“, hatte sie gefragt, als sei nichts gewesen. In Gedanken war sie bestimmt schon wieder bei einem ihrer anderen Vögelchen gewesen. Doch diesmal wurde sie um Aufmerksamkeit gebeten.
Nun ist sie wieder stark, wieder sie selbst.
Isabel ist wohl zu Fuß gekommen, sie hingegen ist mit dem Fahrrad hier. Die untergehende Sonne nimmt nach und nach die Erinnerung und die Last von ihren Schultern. Tabula Rasa, denkt sie sich und schaut in die kleine rote Kugel dort hinten am Horizont, wie sie immer mehr von ihm aufgefressen wird, bis sie verschwunden ist. Jetzt will auch sie fort und schiebt ihr Fahrrad auf den schmalen Kiesweg, der ins Dorf führt, zur kleinen Bäckerei. Die Grillen zirpen und irgendwann verstummen auch sie, huldigen der neuen unbekannten Stille hier am See.
Auf der Wasseroberfläche zerplatzen kleine Bläschen.
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