Samstag, 2. September 2006
“Weil, der will das verkaufen!“
Sechs Mann auf einem Boot mit zwei Zweierkojen, zwei kleinen Pumpklos (namens "Aquastar 8") und mehr Alkohol als Lebensmittel an Bord – eine Erfahrung, die sich jeder einmal in seinem Leben wünscht. Am Ende vielleicht nicht mehr so sehr wie am Anfang. Ein Überlebenskampf – denn Zwiebeln lassen im Worst Case Szenario nicht nur ein Mal die Augen tränen.
Bewundernswert, wenn einem aber bereits am ersten Tag die Antwort auf alle offenen Fragen in den Kopf kommt: Der will das verkaufen! Erst nur bezogen auf die Frage, weshalb jemand sein Schiff morgens und abends putzt, dann als Universalantwort für sämtliche Fragen dieser Welt nutzbar.
Natürlich gibt es Streitigkeiten und Reibereien, die irgendwann nicht mehr geschluckt, sondern ausgekotzt werden müssen, aber dies ist auch nur ein weiteres Teil zum Puzzle „Freundschaft“ – mal findet man auf Anhieb das passende Stück, mal kloppt man andere mit grobem Gehabe ins Gefüge, aber am Ende steht ein ansehnliches Bild.


Samstag, 26.08.2006
„Herr A., spielen Sie doch mal bitte mit dem Hund.“
„Take the piece of wood!“ (Frei übersetzt: Hol Stöckchen)

Abfahrt eigentlich um sechs Uhr morgens, doch da Frauen immer etwas länger brauchen, war eine Abfahrt um halb sieben auch in Ordnung. Mit dem guten Toyota den Frauen gezeigt, wo der Überholhammer hängt.
Nach dem Ablegen (3gp, 3,942 KB) haben die Frauen erstmal das gemacht, was sie am besten können: schlafen, während Männer wach sind und diese später nerven, wenn Männer Schlaf wollen und die Frauen wieder wach sind.
Das Chillen kann trotzdem beginnen, denn wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Sonnendeck und das ließ sich außerordentlich gut zum Mittagsschläfchen gebrauchen. Da man später Krebs nicht nur kriegen, sondern auch leben kann, zum Essen eine Handvoll kohlekrustiger Fischstäbchen mit Kartoffelmatsch gehabt. Gemeinschaftsessen in der Runde, auch wenn der Skipper zu seinem Glück gezwungen werden muss. Nahrung besteht nicht nur aus Kohle, sondern auch aus Flüssigkeiten und Bier ist eine gute Flüssigkeit, um mit zunehmender Menge das Schaukeln des Bootes mit eigenem Schaukeln auszugleichen. Auch, wenn Herr A. anderes behauptet, bei diesem Mal war er es, der schwankte und nicht nur das Boot.
„Dänischer Hund, der nur Englisch versteht auf niederländischen Gewässern von deutschen jungen Erwachsenen um den Verstand gespielt.“ Die BILD wäre um so eine Schlagzeile stolz. Auch die Erkenntnis, dass es bei bestimmten Klofunktionen in den Kanal blubbert, wäre eine Schlagzeile wert, die aber ohne einen badenden Herrn J., der sich in letzter Minute anders entscheidet, an Schlagkraft verliert. Aber nein, Herr J., es liegt garantiert nicht an der braunen Brühe, sondern an der Wassertemperatur, dass Sie nicht mehr baden gehen möchten!
Abends (3gp, 527 KB) lag die ganze Bagage dann auf dem Sonnendeck, Bier in den Händen, Decken auf den Schenkeln und die Abendsonne im Gesicht, die Gemütlichkeit und Zufriedenheit im Gemüt. Nicht nur die Tatsachen, dass man mit Freunden am besten auf einem Boot Sonnenuntergänge genießen kann, sondern auch die Erkenntnis, dass Trinken im Liegen nicht ganz einfach ist, waren die erhellenden Momente an diesem Abend mit seinem sternenklaren Himmel, seinen zirpenden Grillen und dem Gefühl wahrer Geborgenheit im Herzen.



Sonntag, 27.08.2006
Herr Nyxon erzählt von einem geräuschvollen Klogänger auf der Hafentoilette:
„Das war der fliegende Holländer.“

Geborgenheit, die schnell in rasende Wut umschlägt und dann Mücken erschlägt. Und wenn man das um vier Uhr morgens machen muss, dann läuft man schnell Gefahr auch von den Mitreisenden erschlagen zu werden. Doch voller Großmut durfte ich mich in die Obhut der Frauenkajüte retten, die erstens keinen richtigen Platz für mich hatten und zweitens auch eine Mücke. Aber man war ja Gast und hat sich deshalb zusammengerissen. Man hätte sich auch einfach wie Herr A. für die Dusche als Schlafplatz entscheiden können.
Zusammenreißen war auch die Parole, als bemerkt wurde, dass eine defekte Wasserpumpe nichts als heiße Luft bietet und man sich damit weder Duschen, noch seiner Lasten entledigen und auch nicht Spülen kann.

Ablenkung war also gefragt, also hat man sich das Handy geschnappt und sich Bildtechnisch vergnügt mit romantischen Kanaldörfern, entspannten Seebären an Deck und dem Ausrichten einer Satellitenschüssel, um das Formel 1-Rennen sehen zu können (seltsamerweise war ich bis auf den unterstützenden Herrn J. der Einzige, der sich über den Punktvorsprung von Alonso freuen konnte).
Während man der Reparatur der Wasserpumpe keinerlei Fortschritte entgegenbringen konnte, sich stattdessen über die Arschritze des holländischen Technikers amüsierte und einen Spaziergang durch das Hafendorf anstrebte, brachte es nicht nur die Spaghetti, sondern auch den Unmut zu kochen. Sechs Menschen ohne Wasser sind auch gleichzeitig sechs Menschen ohne Geduld. Und Ungeduld und Spaghetti sind eine fatale Mischung, sie animieren zum Trinken und zum Kartenspielen, das eigentlich sonderlich verhasst ist in meinem Gemüt. Aber wenn es schon passend „Schwimmen“ heißt und man am Ende untergeht, kann man sich dem ja nicht lange verwähren. Auch nicht, wenn Frau S. und Frau K., die eigentlich Frau L. ist sich mit Streicheleinheiten dem Mitspiel versichern.
Ein Test hat übrigens ergeben, dass Plastikstühle nicht unbedingt zwei Personen mit höherem Körpergewicht aushalten können.

Später am Abend gab es dann nur noch eine Frage: Bin ich das oder ist es das Schiff? Entnüchterungsspaziergang in der Nacht, nicht nur um zwei Turteltäubchen allein zu lassen, sondern auch um sich am Ijsselmeer frei zu fühlen. Die Kopfschmerzen am nächsten Morgen konnte mir der Wind aber trotzdem nicht aus dem Kopf blasen…


Montag, 28.08.2006
Beim Satellitenschüssel ausrichten:
„Ich kann ein Bild hören.“

Der Vormittag: Aua Koppje. Der Mittag: Testinterview mit Herrn Z. wegen der Anstellung beim Meinungsforschungsinstitut und direkt weiter Bier. Was sein muss, muss sein. Regen musste nicht sein, war aber trotzdem da. Die ganze Zeit. Deswegen lief dieser Tag auch unter dem Motto Gammeltag. Das bedeutete, dass sich die Frauen erst gar nicht richtig anziehen, sondern sich in Schlafklamotten unter Decken kuscheln und sich bedienen lassen. Im Laufe des Tages ließ dann die Kraft aller nach und die einzige Lösung bestand darin, aus dem Hauptraum ein Matratzenmeer zu machen und sich mit der ganzen Gruppe darauf zu schmeißen.
Beim Fernsehen und Gammeln ließ der Massagegott dann seine Zauberhände über die Schultern der Frauen tanzen und konnte ihnen dadurch den einen oder anderen seltenen Laut entlocken.


Dienstag, 29.08.2006
Beim Tabu spielen; Begriff: Gokart
„Rennwagen nur kleiner.“
„Kart.“
„Und jetzt noch Start auf Deutsch.“
„Go.“

Immer früher den Tag beginnen, das ist eigentlich das Ziel dieser Reise gewesen. Und mit früh den Tag beginnen ist nicht etwa allzu frühes Aufstehen gemeint, sondern die Möglichkeit möglichst zeitig mit dem Vernichten des Alkohols zu beginnen. Und eine seltene Mischung aus Sangria und Bier macht einem gestandenen Mann kaum was aus, wenn er nicht gerade einen Kanal Wasser unter sich hat. Denn es gibt immer eine Ursache und eine Wirkung.
Ursache hier: der Alkohol; Wirkung hier: zu viert in einen Kanal voller eiskaltem Wasser springen, die Herzattacke überleben und dann noch eine schöne Entdeckung machen, die aus jugendschutzrechtlichen Gründen nicht näher erläutert werden dürfen.
Ein erhöhter Alkoholpegel lässt ja bekanntlich die Hemmschwellen eines Menschen drastisch sinken und irgendwie muss sich das äußern. An diesem Tag drehte sich so einiges in meinem Kopf und anders kann ich es mir auch nicht erklären, dass ich plötzlich karten- und gesellschaftsspielend am Tisch saß. Ich hasse solche Spiele, kann auch entsprechend wenig von ihnen. Aber wie gesagt: der Alkohol.
Irgendwann gab es dann noch einen Anruf der Katrin M., die sich erkundigte, wie es mir ging und sich enttäuscht äußerte, dass man am Freitag vor der Abfahrt ihrer Abschiedsfeier nicht beiwohnen konnte. Frau M zieht nämlich mit ihrem langjährigen Freund Herrn N. in Richtung Bodensee, er als Berufssoldat, sie als hoffentlich nicht arbeitslose Hotelfachfrau.
Der Rest des Abends war ein einziges Sangriadelirium (3gp, 1,584 KB) .


Mittwoch, 30.08.2006
Herr A. zu Herrn Nyxon:
„Das ist wie…“ (eine lange Pause)
„Herr A.?“
Dieser erschrocken: „Was? Hab ich was gesagt?“

Im Traum wurde ich von einem großen Kran erschlagen. Es machte einen lauten Knall und tot war ich. In Wirklichkeit kam der Knall vom Himmel und wurde von einem Gewitterdonner erzeugt, der einen das Blut in den Adern gefrieren ließ, so laut und heftig kam er heruntergeschallt. Eigentlich wollte ich wach geküsst werden, so wurde ich halt wach geknallt, besser als von einem Kran erschlagen zu werden.
Der Tag fuhr fort mit erneuten Gesellschaftsspielaktivitäten, denen ich diesmal nahezu nüchtern und triumphierend beiwohnte, denn ich siegte zur Abwechslung auch mal. Irgendwann fügt sich jeder in sein Schicksal und eigentlich ist das ja wie zuhause. Da isst man auch was auf dem Teller ist, selbst wenn man es nicht mag, denn man weiß genau, selber wird man es sich auch nicht wieder auftischen.
Aufgetischt wurde an diesem Tag Männeressen. Mit Curry- und Paprikapulver angewürzt und mit Soßen serviert, boten die Bratwürste einen testosteronhaltigen Anblick. Natürlich durfte eine gesunde Komponente aus Mais- und Paprikasalat nicht fehlen. Die Verdauung wurde in einer Art Männerclub auf dem Sonnendeck betrieben mit lustigen Wortspielchen, Fäkalwitzen und Entenfüttern (3gp, 3,060 KB) . Geht es noch männlicher? Ja, es geht! Rippchen von toten Knochen nagen wäre da die Steigerung. Wenn es auch nur zuschauend beim Herrn J. war, denn für 16 Euro Rippchen bestellen war mir zuviel des finanziell Guten. So gab ich mich mit dem Zuschauen und dem Verzehr einer Portion Gambas zufrieden.
2 Fast 2 Furious ist ein hoch spannender, rasanter Film mit richtig famosen Autos als Hauptdarsteller. Aber selbst diese Pferdestärken können einen Mann, der Bratwurst und Gambas und etliche Bier im Magen hat, nicht abhalten von seinem erholsamen Schläfchen. In Fötusstellung, den Kopf auf die Hand der selbst schlafenden Frau S. gebettet und mit den Hintern Herrn Z. von der Matratze schiebend, ist einem auch der Schmerz im zu scharf angewinkelten Genick kein zu hoher Preis für Schlaf.


Donnerstag, 31.08.2006
Herr Nyxon: „Boah, das Bier steigt aber ganz schön ins Kopp.“

Frühanfänger, diesmal aber im wirklichen Sinne, denn wer schon vor neun aufgestanden und geduscht ist, kann sich wahrlich als solcher bezeichnen. Passend zum vorhergegangenen Tag fing man jetzt schon mit einem Männerfrühstück an: Frikandeln und Bier. Eine explosive Mischung, wie sich später herausstellte und das Hauptklo zu einer biochemischen Zeitbombe umfunktionierte.
Zunichte gemacht war mit einem kleinen Einkauf meine Sozialisationsbemühungen, anderen jungen Erwachsenen den SPIEGEL näherbringen zu wollen. BILD liest sich wohl wirklich leichter...
Eine Zeitbombe waren auch unausgesprochene Diskussionsstoffe, die bei einigen Gruppenmitgliedern zeitweilig des Friedens wegen wortlos hingenommen und geschluckt wurden, dann aber ebenso explosiv wie das Biochemische an die Luft wollten. In diesem Fall machte eine Diskussion über das Verhalten mancher gegenüber einer Person (wobei diese Konstellation teilweise rotierte, dass fast jeder sein Fett wegbekam) den zuerst sehr trinkseligen und stimmungsvollen Abend kaputt.
Einige trösteten sich mit Bier, andere mit Einsamkeit an Deck oder am Anleger, andere schliefen sich den Kummer scheinbar fort. Lösungen finden konnte man nicht mehr, dazu war der Urlaub zu vorangeschritten, doch es machte die Redner sichtlich frei, diverse Dinge angesprochen zu haben.


Freitag, 01.09.2006
„Wir müssen das Boot noch putzen und aufräumen.“
Lange Gesichter.
Herr Z.: „Versenken wäre einfacher.“

Für mich persönlich war wieder Aua Koppje angesagt, schließlich lässt es sich nicht unbedingt verhindern, wenn man doch am Abend zuvor drei der vier Partyfässer doch noch annähernd leer bekommen hatte. Die Mühe, mich umzuziehen, hatte ich mir gar nicht erst gemacht, also musste Joop her, was Frau S. mal wieder um den Verstand brachte und meinen möglichen Mief überdecken konnte.

Dafür kamen beim Aufräumen so einige Dinge zu Tage, ganz vorne bei die imposante Sockensammlung des Herrn A. Sämtliche Socken allerdings scheinbar nur als Einzelstücke oder auch als lustiges Suchspiel erhältlich, anders kann man sich den Fund etlicher benannter Socken auf dem gesamten Boot verteilt nicht erklären. Sie dürfen übrigens raten, welches der beiden obigen Bilder die Männer- und welches die Frauenkoje zeigt.
Gemeinsam wurde also das Boot ins Reine gebracht, damit der Reeder auch am Ende unserer Reise die Kaution wieder auszahlen konnte. Ob er die Schramme entdeckt hatte, der Beweis für unser Stuhlprojekt, kann keiner sagen, zumindest hat er sich nichts anmerken lassen.
Die Rückfahrt war eine Wohltat, Herr J. schlief neben mir wie ein Baby, während wir Frau S. noch den Weg Richtung Oberhausen durch Handzeichen geben mussten, damit sie Frau L. wohlbehalten auch in dieser Gegend abzusetzen vermochte. Nach der Grenze genoss ich die Freiheit den Wagen bis an seine Geschwindigkeitsgrenze zu treiben, um an der letzten Abfahrt doch noch Herrn Z. samt Co-Piloten Herrn A. den Vortritt zu lassen.


Und dann war es zu Ende. Die Reise mit dem Boot, mit den Freunden, das Freiheitsgefühl das zu tun, wozu man Lust hatte. Zurück bleiben schöne Erinnerungen (nicht zuletzt diese Sammlung an Informationen), etliche Bilder, die Herr A. in einer CD-Sammlung zusammentragen wird und das Wissen, dass es gute sieben Tage mit guten sechs Freunden waren.

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