Samstag, 18. August 2007
Das Leben ist nur eine Phase
Ein Mann bekommt einen Rappel. "Eines Tages wollte ich mein Leben ändern. Alle wollen das." Doch er will es auch schaffen. Also nimmt er sich Urlaub (eine ganze Woche) und in dieser Zeit alles zu erledigen, wozu er sonst nicht kommt. Die Tage ziehen vorbei und er räumt auf. Seine Frau geht ihm aus dem Weg, nachdem sie seine Lebensliste entdeckt. Da "Kinder haben" erst an vierter Stelle nach "Nach Japan reisen; ein Drehbuch schreiben und Bass spielen lernen" steht. Und dann sieht weder er noch der Leser die Frau über eine ganze Länge des Buches. Zwischendurch trifft er sich mit Freunden, tut so, als sei er ein ganz anderer, läuft seiner Frau barfuß im Regen nach, um das Gespräch mit ihr zu suchen und bleibt bis zum Schluss ein egozentrischer Urlauber, der viel mehr Spaß auf Mallorca hätte haben können.

Es fällt schwer, sich an Highlights im Buch zu erinnern und aus schlauen und denkwürdigen Sätzen zu zitieren, denn es gibt sie nicht. Das Buch fließt, ja plätschert geradezu dahin, ohne dass etwas hängen bleibt. An einer Stelle musste ich schmunzeln. Der Protagonist geht auf ein Konzert eines alten Schulfreundes und möchte ihm gratulieren. "Ich breitete die Arme aus, um in Körpersprache so etwas wie ein anerkennendes "Mein lieber Herr Gesangsverein!" auszudrücken, dann fing ich an, die Arme wieder einzufahren, wobei ich immer noch auf Marius zuging. [...] Es war deutlich, dass wir uns nicht umarmen wollten, aber dies zu verhindern, hätte bedeutet, einen Schritt zurückzutreten und die Arme woandershin zu tun [...] Marius und ich umarmten uns." Sie sehen: das ist nicht lustig. Ich konnte schmunzeln, weil es mir auch einmal geschehen ist, ansonsten blieb ich auf dem Stuhl.

Herrn Raether kennen die Frauen vielleicht aus der "Brigitte", dort schreibt er eine Kolumne. Im Nachwort gibt er zu, dass "die Gedanken und Erlebnisse unseres Helden [...] zum Teil auf Kolumnen, die ich für die Zeitschrift Brigitte geschrieben habe [beruhen]". Das merkt man, denn die Gedanken und Erlebnisse des Helden wirken wie ein zusammengeschustertes Gestrüpp. An keiner Stelle kommt Euphorie oder auch nur eine kurze Beschleunigung des Pulses auf, was einen aus dem ungriffigen Lesetrott herausreißen könnte.
Nachdem das Buch weggelegt ist, bleibt nichts übrig. Kein Aha-Effekt, keine Erleuchtung, dass das Leben nur eine Phase sein könnte. Raether gibt in lästigen Lebensepisoden wieder, was jeder von uns bereits wissen sollte: Nicht wir verändern unser Leben, sondern unser Leben verändert uns.

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