Einen vor, tipp tipp, zwei nach links, tipp, einen zurück
Eiertanz der deutschen Parteien. Standardkurs für Reformbeginner. Gemischte Pärchen - Schwarz-Rot, Grün, Gelb und Tiefrot. Alle treten sich gegenseitig auf den Füßen herum. Alles aus dem Takt.

So in etwa die Zusammenfassung der letzten zwei Jahre der laufenden Legislaturperiode. Eine Große Koalition an der Macht, Zweidrittelmehrheit des Parlaments als Ass im Ärmel, keine nennenswerte Opposition. Man hätte denken können, der gemeinsame Tanz der Volksparteien müsste eine Kür sein, wenn überhaupt, dann nur mit kleinen Patzern. Aber falsch gedacht! Der rote Tanzpartner wird mit Zwischenrufen und Gegengeklatsche der tiefroten Zuschauer aus dem Takt gebracht und die schwarze Fraktion ist ohnehin not amused über ihre Partnerwahl.

Was könnten die beiden mit der richtigen Musik im Hintergrund, etwas Taktgefühl auch füreinander und einem ordentlichen Blues im Blut durchtanzen. "Durchregieren" hatte es die Dame, die nun führt, einmal zu Beginn genannt. Eine flotte Sohle hatte sie angekündigt. Politswing in seiner feinsten Form. Reformen sollten wie Jazzmelodien durch den Tanzsaal Deutschland wehen. Merkels Amtskleid wie in Dirty Dancing zwischen Innen- und Außenpolitik umherwirbeln. Mit einem gleich starken Partner wären selbst Hebefiguren wie eine Gesundheitsreform oder kleine Änderungen am Grundgesetz denkbar gewesen. Stattdessen sitzen beide auf der Bank und reiben sich die dicken Füße.

Zu oft sind sie sich draufgetreten. Mal aus purer Absicht, mal aus Taktlosigkeit. Die gleiche Musik zu hören bedeutet eben nicht, den gleichen Tanz zu tanzen.
Schlimmer noch in meinen Augen, die Tanzschritte nach links, die fast alle Parteien in diesem Kurs vollzogen haben. Die Tiefroten geistern einer alten kommunistisch angehauchten Weltordnung hinterher, die sich mit dem Gedanken einer sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbaren lässt. Direkt dahinter, ebenfalls verquere Welten schaffend und unerwartet tief im linken Spektrum: die Grünen. Grundlöhne, Erhöhung von sämtlichen Sozialleistungen und nebenher noch Milliarden teurer Klimaschutz haben der Partei eine komplett neue Melodie verschafft. Vorbei die Zeit, als sie noch im Takt einer rot-grünen Symphonie Realpolitik betrieben haben. Von der FDP sieht man auf der Tanzfläche eigentlich herzlich wenig. Immer mal wieder wird das schwarzrote Pärchen von der Seite angerempelt, aber ein Tanz dieser Art ist schwer noch weiter zu verschlechtern. Also sitzt Guido auf der Bank und wartet auf sein Lied. Die SPD ist nicht viel besser. Bedrängt von einer auch ohne Reformen flott umherwirbelnden Kanzlerin und einer starken Linken sah sich der Sozi-Tanzlehrer Beck genötigt, sich von der zeitgemäßen Regierungslinie zu entfernen und stattdessen wieder sozialdemokratische Luftschlösser zu bauen. Nett anzusehen sind diese ersten Schritte, aber die Wertung der Zuschauer im Tanzsaal fallen auch nach dem Solo eher bescheiden aus und eigentlich müsste die Menge beben vom Tempo eines Reformswings statt in der alten Mentalität eines Wirtschaftswunderwalzers zu schwelgen.

Aber kein Swing ohne Schwung - und Schwung ist Mangelware. Die schwarze Führung unter Merkel hat sich für die kleinen Trippelschritte entschlossen. Heißt, im Ausland eine heiße Sohle aufs Parkett legen und daheim ein Tanz wie mit Tante Erna im Altenheim. Hatte sich 2003 in Leipzig noch Rhythmus im Blut gefunden, ist bereits jetzt die Luft raus. "Deutschland ist auf einem guten Weg", sagt sie und setzt sich auf die Bank. Die FDP sitzt ja bereits dort und wartet auf die Damenwahl 2009. Der Große Ball scheint sich dem Ende zuzuneigen.
Ich, als Punkterichter, weiß, welches Kärtchen ich ganz zum Schluss hochhalten werde.

Kommentieren