Montag, 19. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 5
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb



Filmzitate sind der Seite imdb.com entnommen.

Teil 5 - Tiefendurchsuchung

Zweimal wirkte der Film abschreckend auf mich. Einmal wurde vom Scientology-Rechtssystem gesprochen, was in meinen Ohren wie Selbstjustiz widerhallte. Ein anderes Mal geißelte der Director of Processing den Beruf der Psychologen als Teufelszeug, da sie die Menschen mit ihrem Einflüstern kranker machten als sie es schon seien. Man solle die Psychiater zu Psychiatern schicken, sie würden ihr blaues Wunder erleben.
„They need psychiatric help. That would finish them.”
Und kurz darauf hielt er Kurvendiagramme von Scientologen in die Kamera, die eine kontinuierliche Verbesserung sämtlicher Felder, immer und immer wieder, zeigten. So ähnlich sieht meine CPU-Auslastungskurve im Taskmanager auch aus.
Ich trete hinaus in den Empfangsbereich und denke daran, dass man diesen Film auch im Nachtprogramm des DSF zeigen könnte, statt der Vermarktung der Wunderschlankheitspillen oder dem Supermittel gegen Haarausfall.

Ob der Film mir geholfen habe, zu verstehen, was Scientology sei, werde ich gefragt und es ist nun die dritte Person, die sich um mich kümmert. Es scheint allerdings an Kompetenz zuzulegen, denn während mein erster Kontakt durch Schweigen und Unwissenheit glänzte und der zweite nur von kurzer Dauer war, werde ich jetzt von einer langjährigen Mitarbeiterin betreut. Die Schwester des zweiten Kontaktes. Diese hier hat allerdings keinen Namen.
Meine erste Frage ist, warum es Scientology in Deutschland so schwer habe, offiziell als Kirche anerkannt zu werden, wenn die Organisation soviel Gutes tue und selbst ein deutsches Gericht (in Gedanken hinzugefügt: angeblich!) das weithin bestätige. Man weist mich auf die Intoleranz der Deutschen hin und dass man in Amerika viel weiter sei als in Europa und überhört meinen absichtlichen Fauxpas problemlos. In vielen Ländern sei Scientology bereits ganz offiziell eine Kirche und hier dauere es eben etwas länger. „Wir arbeiten dran.“ Das hört man von der Großen Koalition auch jeden Tag, ohne dass etwas geschieht.

Ich werde gefragt, ob ich ein paar Minuten Zeit mitgebracht hätte, dann könne man mit mir einen Persönlichkeitstest machen, der aufzeige, wo ich in der Persönlichkeit Defizite hätte. Defizite in der Persönlichkeit – das klingt in meinen Ohren so wie die Judenfrage. Minderwertigkeiten werden nicht geduldet. Aber es ist nun mal die Aufgabe von Scientology das Beste aus jedem Menschen herauszuholen, sein Potenzial aufzuzeigen.

Natürlich habe ich ein paar Minuten übrig, obwohl ich den Hund meiner Freundin versorgen müsse, den ich allerdings gar nicht mag. Ich bin halt wirklich eher der Katzentyp. Meine Betreuerin mag auch Katzen lieber und findet es klasse, dass ich das Gassi gehen noch eine halbe Stunde aufschieben kann.
Was tut man nicht alles, um die Scientology-Frage zu lösen...


[...wird fortgesetzt]

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Dienstag, 13. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 4
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie



Filmzitate sind der Seite imdb.com entnommen.

Teil 4 – Wahrheit halb und halb

Es werden zehn von 65 Gerichtsurteilen eingeblendet, die Scientology den Status einer Kirche verleihen oder zumindest den Eindruck dessen machen sollen.
„That Scientology is a bona fide religion is indisputable, as determined repeatedly by courts the world over, including the United States Supreme Court.”
Darunter auch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Dass dieses Urteil (Download rechts) allerdings keinen Anerkennungstenor enthält, sondern nur bestätigt, dass eine Unterorganisation von Scientology weiterhin den Vereinsstatus innehaben darf, wird nicht erwähnt.
Von einer dauerlächelnden Angestellten bekommt der Moderator eine Handvoll lesenswerter Bücher „für den Beginn der Lehre“ aufgedrückt. Die letzten zehn Minuten des Films werde ich bombardiert mit angeblichen Erfahrungsberichten. Menschen aller Couleur und sämtlicher Berufsgruppen lachen in die Kamera und erzählen, dass Scientology sie gerettet habe, ihnen geholfen habe, dass sie endlich glücklich seien dank der Hubbardlehre.

John Travolta sagt, er sei eigentlich für sein ganzes Leben dankbar.
„Well, basically, there's no part of my life that Scientology hasn't helped.”


Und auch Kirstie Alley blieb uns wohl nur durch Scientology erhalten:
„To tell you the honest-to-god truth, without Scientology, I would be dead. So, I can personally, highly recommend it.”


Den Star Tom Cruise sehe ich nicht, aber ich werde später darauf aufmerksam gemacht, dass er mit Abstand der bekannteste Vertreter der Organisation sei.

Scientology hat in dieser Zusammenfassung für alles eine Lösung wird mir beigebracht, egal, ob ich nun drogenabhängig sei, Eheprobleme hätte oder meine Kreativität nicht gänzlich entfesseln könnte. Fünf Minuten schaut der Moderator noch frontal in die Kamera und erklärt, dass man jetzt hinausgehen und Scientology den Rücken kehren könne. Dass einem selbst die Entscheidung gegeben und dass man sein eigener Herr sei. Aber man solle bedenken, was man gerade gesehen habe und gründlich urteilen. Ich erwarte ständig das Ende des Films, aber immer wieder nimmt die Hintergrundmusik, die auch in einen patriotischen Kriegsfilm passen würde, einen neuen Anlauf und lässt den Moderator noch ein wenig sagen, wie frei man doch sei.
„If you leave this room after seeing this film, and walk out and never mention Scientology again, you are perfectly free to do so. It would be stupid, but you can do it. You can also dive off a bridge or blow your brains out. That is your choice. But, if you don't walk out that way, if you continue with Scientology, we will be very happy with you. And, you will be very happy with you. You will have proven that you are a friend of yours.”
Dann ist Schluss.


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Montag, 5. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 3
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt



Filmzitate sind der Seite imdb.com entnommen.

Die Marketingmaschinerie

Ich dachte, ich bekäme den Film auf dem normalen Fernseher zu sehen, stattdessen werde ich in einen kleinen, stickigen Vorführraum im Kinostil gebracht. Eine kleine Projektionsleinwand, sechs lederne Stühle, zwei große Lautsprecher. So präsentiert sich Scientology. Die Tür wird geschlossen, ich alleine gelassen, der Film beginnt zu rattern.
Es ist ein amerikanischer Film im Original. „Orientation“. Die deutsche Übersetzung wird auf einem digitalen Spruchband unterhalb der Leinwand mehr schlecht als recht wiedergegeben. So amerikanisch die Sprache, so amerikanisch die Filmaufmachung.
„We can arise above the decay - the final flash that will inevitably extinguish this planet. It is not our mission to save it. It is our mission to free you. You are an immortal being. Your life will not halt because this planet halts. You can go on.“
Man merkt sofort dass etwas verkauft werden soll, denn eine neutrale Dokumentation sieht anders aus. Mein Haus, mein Auto, meine Frau – hier nur in der Variante „Die Scientology Church of Los Angeles, der Scientologyverwaltungssitz in Florida und (da habe ich nicht schlecht gestaunt!) das Scientologyschiff Free Winds! Ich komme mir in der Zeit zurückgesetzt vor, als aus Kostengründen viele Spielfilme in Kulissen statt an Originalschauplätzen gedreht wurden. Ein Moderator mit einer Frisur wie sie John Kerry im letzten Wahlkampf getragen hat und der mir auch irgendwie bekannt vorkommt, tut so als wäre er über die Vorgehensweise Scientologys vollkommen im Unklaren. Er spaziert mit mir durch eine Pappmachéwelt, in der ebenso schlecht geschauspielert, Scientologen ihre Kreise ziehen und wie in einer Aufführung sämtliche Aktivitäten überspitzt darstellen.

Man erklärt mir, dass Hubbard, der allgegenwärtige Gründer, in 29 Fachgebieten ein Experte, dass er Schriftsteller, Wissenschaftler, Forscher, Ingenieur und vielleicht sogar einer der intelligentesten Männer der Welt gewesen sein soll. Dass er trotz all seines Wissens mit einem Vierer-Durchschnitt seine Examen abschloss und die Universität am Ende gar ohne Abschluss verlassen musste, scheint seiner Größe keinen Abbruch zu tun - denn es wird nicht erwähnt. 250 Bücher über seine Wissenschaft, die Dianetik, hat er geschrieben und wurde von der US-Regierung verfolgt, weil die sein Programm für ihre militärische Zwecke hatte nutzen wollen.
„The government had been spending millions of dollars experimenting with mind control, all in a grand scheme to make men more suggestible. But Dianetics could undo their efforts to bend men's minds and brainwash them.”
Hubbard wird als Held gefeiert, da er sich gegen alle Widerstände zur Wehr setzte und weitermachte.
„That's one of the reasons people love him. No one else would have had the courage to go through all that, and complete his work as well.”
Es gibt etliche Kirchen, Missionen und Abteilungen auf der Welt, die von Scientology betreut werden.


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Donnerstag, 1. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 2
Teil 1


Der erste Kontakt


Ich werde von einer Frau empfangen, die es wohl nicht so ernst nimmt mit ihrer Erscheinung, ein Mauerblümchen, verunsichert und bereits mit meinem Anliegen, mehr über Scientology erfahren zu wollen, sichtlich überfordert. Ich stelle ein paar unbedeutende Fragen, zu denen ich die Antwort bereits weiß. Sie werden knapper als im Netz beantwortet und ich fühle mich ein wenig alleingelassen von dieser Dame.
Mein Blick schweift durch die Räumlichkeiten. Alles hier ist sehr eng und wirkt bedrückend, die Wände sind zutapeziert mit bunten Tafeln und Postern, die alle die Lehre des Lafayette Ron Hubbard aufs Höchste preisen. Dieser Mann ist hier wahrlich der Messias, sein Konterfei strahlt von überall herab. Hinter einer Glaswand steht ein kleiner Tisch mit einem Schildchen darauf. „L. Ron Hubbard – Gründer“ steht darauf.

In jeder Ecke stehen mehr oder minder dicke Bücher, alle tragen sie seinen Namen und sind wie die Romane von Dan Brown gestaltet. Es wird ein Buch herausgesucht: „Was ist Scientology?“ Darin soll auf mehreren hundert Seiten alles beantwortet werden; ich sehe auf jeder dritten Seite ein Bild, das über eine Doppelseite geht und kurze Texte auf den übrigen. Würde man den Text herausnehmen, kämen vielleicht 30 Seiten in DIN A4 zusammen. „Das ist also so etwas wie die Bibel der Scientologen“, scherze ich und werde missmutig angeschaut. Das könne man gar nicht miteinander vergleichen, werde ich belehrt und gemeinsam blättern wir ein wenig durch das Bilderbuch. Ob ich vielleicht Infomaterial für Zuhause haben könnte, frage ich bescheiden.

Man drückt mir eine Broschüre in die Hand und weiß nichts mehr mit mir anzufangen. Scheinbar ist man es nicht gewohnt, dass einfach Leute von der Straße hereinkommen und „nach Antworten suchen“, wie es einen die Plakate prophezeien.
Dann kommt Hilfe herbeigeeilt. Plötzlich herrscht ein unsichtiges Wuseln in den Räumen. Mir wird eine Frau mittleren Alters vorgestellt. Während ich nur den Nachnamen meiner extra für diesen Zweck erdachten Scheinidentität nenne, stellt sich die Frau einzig mit ihrem Vornamen vor. Alle wollen wohl eine große Familie sein in diesen Räumen. Ich erkläre mein Anliegen, dass ich viel über Scientology gehört habe und mir einen eigenen Eindruck machen möchte. „Das ist gut, denn unsere Philosophie heißt auch, man solle nur an das glauben, was man selber gesehen hat“, erklärt mir der Vorname und bietet mir an, ich könnte mich anhand eines Films ein wenig aufklären lassen. Ich nehme bereitwillig an und während man den Film vorbereitet, werde ich über mein Leben befragt.

Befragt ist zuviel gesagt, man stellt mir ein paar belanglose Fragen, was ich beruflich täte und wie ich auf Scientology gekommen sei. Für diese Menschen hier bin ich in der Stadt wohnhaft und arbeite seit kurzem in der örtlichen Justizbehörde. Ich gebe mich als das aus, was ich früher einmal gerne geworden wäre, mir aber durch eine unüberbrückbare Einstellungsklausel versagt blieb: Rechtspfleger. Ich erzähle von meinem Arbeitskollegen, der mir während eines Trinkabends von der Kirche erzählt habe, dass eine Grundsatzdebatte mit anderen Anwesenden ausgebrochen sei und dass ich deswegen hier sei, um mir die Sache selber anzuschauen. Man lächelt gnädig und lobt mein Engagement, die Initiative zu ergreifen und nicht einfach das zu glauben, was erzählt wird.


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Montag, 19. Februar 2007
Die Seelenfänger - Teil 1
Sie selbst bezeichnet sich als Kirche und ihre Ansichten als Religion. Außenstehende und anerkannte Kirchen geißeln sie als Sekte. Es wird von Manipulation und Gehorsam berichtet, von Gehirnwäsche und Zwang. Sie soll an Positionen in den Machtzentren interessiert sein und an Einflussnahme auf die aktive Politik. Ihr weltweit wohl bekanntester Anhänger ist Tom Cruise. Für sie hat er einen Teil seiner Karriere geopfert, sein Ansehen und zuletzt wahrscheinlich auch seine Liebe zu den Frauen Kidman und Cruz.

Die Scientology-Gemeinschaft. Wie führt der Weg hinein und wie weit kommt man, ohne Geld auf den Tisch legen zu müssen? Sekte oder potenzielle Religion? Der Selbstversuch…



Anlaufschwierigkeiten

Es regnet, als ich zu Fuß die Straße entlanggehe und unauffällig zu den Seiten schaue. Irgendwo hier sollte sie sein, die örtliche Niederlassung. Im Internet habe ich gelesen, dass sie hier im größeren Rahmen agieren soll. Ich laufe bis zum Ende der Straße – und finde nichts. Mit letzter Not schaffe ich das Grün auf die andere Straßenseite. Hier verlaufen die ungeraden Hausnummern, die Niederlassung muss sich also irgendwo auf der Seite befinden, von der ich gekommen bin. Ich gehe die Straße in die andere Richtung zurück.

Und da sehe ich sie, die Tür. Ganz unscheinbar in eine Ecke gequetscht. Ich hatte mehr Proporz vermutet, etwas Ansehnliches, etwas Majestätisches. Neben einem Billigladen für Krimskram liegt der Eingang. Kein Schaukasten, keine Schaufenster, nichts an dem ich mich umsehen und angesprochen werden könnte. Ich hatte die Fishing-Taktik gewählt, gehofft, dass man mich mit meinem interessierten Blick direkt von der Straße holen könnte, und muss umdisponieren.

Am nächsten Tag kehre ich zurück. Es regnet erneut, aber diesmal sehe ich einer trockenen Unterkunft entgegen. Etwas aufgeregt bin ich schon, als ich durch die Tür trete und mich nur ein dunkler Flur mit einem Informationsstand empfängt. Zu meiner Linken ein Schaukasten, der mir Hilfe in sämtlichen Lebenslagen und Problemsituationen verspricht. Ich solle nur in die erste Etage gehen, damit mir geholfen werden kann. Es piept, als ich eine Lichtschranke auf der Treppe kreuze und am Treppenabsatz wartet die Herausforderung auf mich.

[...wird fortgesetzt]

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Montag, 12. Februar 2007
Fehlschlag
Die machen es einem aber auch schwer. Immerhin bin ich nach fast einem Jahr mal wieder in der Stadt gewesen und hatte die Gelegenheit mit einer dieser romantischen, alten Straßenbahnen zu fahren.

Ein neuer Plan muss her.

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