Mittwoch, 13. Juni 2007
Grenzenlose Demokratie
Borderline haben viele von Ihnen mit Interesse verfolgt (112 Downloads der PDF) und so manch einer hat sich in den Kommentaren mit eigenen Gedanken beteiligt. Unterm Strich war es für mich eine gute Erfahrung, dass auch so eine Art Berichterstattung hier Anklang findet.
Dieser Grenzgang war für mich etwas Neues und es soll nicht das erste und gleichzeitig letzte Mal gewesen sein, habe ich entschlossen.

Jetzt aber sind Sie gefragt! An welche Grenze soll es demnächst gehen? Wo soll Herr Nyxon anheuern, sich einschleichen, um Ihnen bestmögliche Eindrücke vermitteln zu können? Ernstgemeinte Vorschläge sind erwünscht und bitte in den Kommentaren zwecks Diskussion und Entscheidungsfindung zu hinterlegen.

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Donnerstag, 24. Mai 2007
Die Seelenfänger - Teil 13
Zum Abschluss der Scientology-Berichterstattung gibt es den gesamten Text zum Download.

Die Seelenfänger (PDF, 107 KB)

Und noch dazu hoch offizielle Worte. Auf der Suche nach Antworten bezüglich des rechtlichen Statuses Scientologys in Deutschland habe ich an das Bundesinnenministerium geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,

im Zusammenhang mit einer Recherche über die Scientology-Organisation in Deutschland habe ich leider keine aktuellen Angaben zum rechtlichen Status der Gemeinschaft finden können. Nach meinen Informationen ist eine Anerkennung als Kirche aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken (dargelegt in den zum Download bereitsgestellten Verfassungsschutzberichten der vergangenen Jahre) nicht geplant [...].
[...]

Wird die Organisation allgemein als Verein geführt oder bezieht sich der Vereinsstatus allein auf die besagten Unterorganisationen (z.B. Dianetics e.V. Stuttgart)? Welchen rechtlichen Status hat die Dachorganisation? [...]

Für eine weitgehende und gerne auch ausführliche Beantwortung im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit wäre ich Ihnen dankbar [...].

Mit freundlichen Grüßen
[...]


Nur ein paar Tage später erhielt ich eine Antwort, die ich mit freundlicher Genehmigung des Ministeriums auch hier veröffentlichen darf.

Downloadversion der ungekürzten Erklärung des Referats 03 (Bürger) des Bundesinnenministeriums (eml, 4 KB)
[...]
Zu Ihren Fragen möchte ich Ihnen mitteilen, dass die in Deutschland tätigen Scientology-Vereinigungen größtenteils als eingetragene Vereine (e.V.) des bürgerlichen Rechts organisiert sind. Sie sind vom Staat weder als gemeinnützig, noch als "Kirche" oder als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) anerkannt [...]
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erfüllt die Scientology-Organisation wegen ihrer vorrangig wirtschaftlichen Ausrichtung nicht die Merkmale einer Religionsgemeinschaft [...].


Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken, dass die Berichterstattung mit soviel Interesse und Neugier aufgenommen wurde. Danke für die Kommentare und Ergänzungen.
Aktuelle Informationen über Scientology, die zum Nachdenken anregen, werde ich wohl immer wieder ergänzend hinzufügen.

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Montag, 21. Mai 2007
Die Seelenfänger - Teil 12
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom
Teil 8 - Kläranlage Mensch
Teil 9 - Laienseelsorge
Teil 10 - Persil
Teil 11 - Zahltag



Teil 12 – Widerstand ist zwecklos

Als Fazit kann ich nur einen ersten Eindruck präsentieren. Ohne Zeit und Geld zu investieren kommt man bei Scientology nämlich nicht weit. Den Ablauf der Seminare, mögliche internere Vorgehen bei der Disziplinierung des Menschen, all das kann ich nicht bestätigen, weil ich nur an der Oberfläche gekratzt habe.

Man kannte mich jetzt seit kaum drei Stunden und wollte mir ein Seminar andrehen, Bücher verkaufen und hat mir etliche Probleme zugeschrieben. Vielleicht ist manches von dem Gesagten logisch nachvollziehbar, nicht alles ist Propaganda und man wird äußerst nett und höflich in den Räumen empfangen. Es ist ganz wie in einem Verkaufsgespräch. Für Menschen, die ernsthaft Hilfe suchen und sich leicht verleiten lassen, ist das wohl eine perfekte Taktik, um das Vertrauen zu sichern. Einige Passagen in der mir mitgegebenen Broschüre kann man ebenfalls als richtig bezeichnen und manche Aussagen klingen nach gesundem Menschenverstand und sollten keine Sorgen bereiten.

Es sind aber die Zeilen dazwischen, die immer wieder auftauchen, die einen misstrauisch machen sollten. Die Verehrung des Mythos L. Ron Hubbard, zum Beispiel. Die ständige Wiederholung, Scientology sei durchaus eine anwendbare Religion und in sämtlichen Lebenslagen hilfreich. Der Hinweis darauf, dass dies alles nur funktioniere, wenn man sich komplett öffne und seinem Gegenüber vertraue. Der eindringliche Satz, dass sämtliche Entscheidungen für Scientology aus freien Willen geschehen und nichts mit Druck oder Zwang zutun hat. Meiner Meinung nach muss man die Existenz und Anwendbarkeit des eigenen, freien Willens nicht ewig und drei Tage wiederholen, weil das Handeln danach selbstverständlich sein sollte. Bei Scientology allerdings wird so oft in allen möglichen Medien darauf hingewiesen, dass mich der Eindruck einfängt, man möchte vom sanften Druck, der einen bei seiner freien Willensentscheidung umgibt, ablenken.

Es ist das Bild des perfekten Menschen, das mir in der kurzen Zeit am eindringlichsten im Gedächtnis geblieben ist und mir auch am meisten den Magen gekrümmt hat. Das Versprechen der Organisation, den Menschen in allen Lebensbereichen zu einer besseren, weil fehlerfreien Persönlichkeit zu machen, klingt nach der Optimierung eines Betriebssystems, nicht nach zwischenmenschlichem Helfen. In meinen Augen gibt es keine erreichbare Perfektion, denn nur ein Mensch mit Fehlern ist ein Mensch. Es hallt eine Prise Fanatismus mit in diesen Worten. Und schaut man sich in der Welt um, sieht man, dass bisher alle Systeme, die die komplette und radikale Gleichstellung der Menschen in Form von Optimierung bestehender Eigenschaften und Auslöschung unerwünschter Synergien in Aussicht gestellt haben, untergegangen sind.

In der Science Fiction gab es eine Gruppe, die ebenfalls nach Perfektion strebte. Ihr Motto hieß „Widerstand ist zwecklos“. Der Vergleich fällt hier durch die Bezugnahme auf die Basis Science sogar leichter, und auch ein Großteil der Scientology-Ideologie besteht aus Fiction. Sie dürfen jetzt selber entscheiden, ob es Einfluss nimmt, dass L. Ron Hubbard in erster Linie als Sci-Fi-Autor begonnen hatte.


[...Donnerstag ...Offizielles]

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Donnerstag, 17. Mai 2007
Die Seelenfänger - Zwischen(den Zeilen)ruf
Ein angesehener BBC-Reporter namens John Sweeney drehte eine eindrucksvolle Dokumentation über Scientology mit Schwerpunkt auf deren Reaktionen auf eine kritische Berichterstattung. Die Reaktion auf ihn konnte man einige Tage vor der Ausstrahlung seiner Doku bestaunen.

Scientology veröffentlichte im Internet eigenes Videomaterial, was bei der "Zusammenarbeit" mit Sweeney entstand, um ihn zu deskreditieren. SpOn hat die Angelegenheit in einem kurzen Report zusammengefasst. In der hauseigenen Dokumentation holt Scientology zum Gegenschlag aus, indem es eine BBC-kritische Haltung einnimmt.

Die Sweeney-Dokumentation ist in vier Teilen auf YouTube zu finden:
"Scientology & Me" Part1
"Scientology & Me" Part2
"Scientology & Me" Part3
"Scientology & Me" Part4



Auch die Dokumentation von Scientology sollte man sich anschauen, um einen Blick auf die Geschehnisse von beiden Seiten zu erhalten:
Scientology-Filmmaterial Part1
Scientology-Filmmaterial Part2
Scientology-Filmmaterial Part3


Abschließend empfehle ich noch einen Blick auf die Nachberichterstattung der BBC als Reaktion auf die vorhergegangenen Geschehnisse:
BBC-Afterreport

Der Stand der Youtube-Links ist derzeit 20.08.2007. Sollte sich ein Links als Sackgasse herausstellen, bitte ich um eine kurze Nachricht, ich werde dann versuchen, erneut zu updaten.

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Montag, 14. Mai 2007
Die Seelenfänger - Teil 11
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom
Teil 8 - Kläranlage Mensch
Teil 9 - Laienseelsorge
Teil 10 - Persil



Teil 11 - Zahltag

Mit meiner Unterschrift erkläre ich also,
"[…], dass ich das hier Gesagte verstanden habe und die obigen Voraussetzungen ohne Einschränkung erfülle. Die Teilnahme entspringt meiner eigenen freien Entscheidung nach geistiger Verbesserung."
Ich kritzele meine Pseudoangaben auf den Bogen und frage bei der Unterschriftenzeile noch einmal nach, ob ich komplett unterschreiben müsste oder ob der Nachname reichen würde. Zeitschinden für mich, denn ich muss mir noch überlegen, wie ich den ausgedachten Namen am formschönsten hinkriege. „Unterschriftenfälschung“ von Scheinidentitäten habe ich nämlich nur unzureichend geübt. Der Nachname reicht und da ich mir einen kurzen, prägnanten ausgesucht habe, ist die Unterschrift schnell gemacht.

Jetzt will man Geld. „Willst du vielleicht schon den Kursbeitrag bezahlen? Dann können wir direkt den nächsten Termin für dein Seminar ausmachen.“ Ich gebe vor, kein Bargeld mit mir zu tragen, denn ich denke gar nicht daran, dieser Organisation nur einen Cent meiner bescheidenen Finanzen zur Verfügung zu stellen. „Kannst du vielleicht das Buch bezahlen, das kostet nur zehn Euro?!“ Nein, kann ich nicht. Ich werde eingeladen am nächsten Tag wiederzukommen, um zu bezahlen.

Einen Blankoantrag nehme ich für meine Freundin mit, damit ich ihr erklären könne, was ich jetzt machen wolle und um sie vielleicht auch dafür begeistern zu können. Dass ich aus dem Antrag zitieren und ihn ablichten möchte, muss Christina ja nicht wissen. Auch nicht, dass ich zum nächsten Termin nicht erscheinen werde, denn die Zeit, die ich umsonst die Dienste von Scientology in Anspruch nehmen konnte, scheint vorbei zu sein. Ab jetzt stünden kostenpflichtige Seminare, Sitzungen und Tests auf dem Plan. Wahrscheinlich jedes mit eigenem Buch und zusätzlichen Kosten. Ich konnte einen kurzen Blick auf die Preislisten erhaschen, als man mir den Beitrag für das Anfangsseminar präsentierte. Vier Spalten und mindestens zehn Zeilen mit verschiedenen Preisstufen – es kann also nur noch teurer werden.

Eine Sonntagsandacht hatte ich eigentlich noch erleben wollen, aber dafür fehlt mir jetzt die Zeit, denn ich werde wohl kein gutes Ansehen mehr haben, wenn ich den Termin zur Zahlung meines ersten Beitrages nicht wahrnehme und diesen auch nicht absage. Auch einen Test am E-Meter, dem Lügendetektor Scientologys werde ich wohl nicht mehr machen dürfen, daran wäre ich wohl noch am meisten interessiert gewesen. Den E-Meter habe ich in einer Ecke stehen sehen, doch man hat ihn mit keiner Silbe erwähnt. Schade eigentlich.


[...es folgt... das Fazit]

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Montag, 30. April 2007
Die Seelenfänger - Teil 10
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom
Teil 8 - Kläranlage Mensch
Teil 9 - Laienseelsorge



Teil 10 – Persil

„Magst du vielleicht den Antrag für das Seminar ausfüllen?“, fragt mich Christina und hat die Unterlagen schon in der Hand. Sie klärt mich darüber auf, dass das erste Seminar einfach bezahlt werden könne, dass man aber darauf folgende Veranstaltungen jeglicher Art nur in Anspruch nehmen dürfe, wenn man damit Scientology beiträte. Der Antrag ist drei Seiten lang und von diesen drei Seiten sind nur ein paar Zeilen für die persönlichen Angaben vorgesehen, der Rest besteht aus den AGBs und einer Art Crasherklärung, wie toll Scientology doch sei. Selbst in solch einfachen Schriften wie einem Kursantrag wird die Werbetrommel gerührt.

„Die Scientology-Religion beruht auf den Schriften und anderen Aufzeichnungen ihres Gründers L. Ron Hubbard. Sie stellt ihrem Selbstverständnis nach eine Religion dar, die die geistige Erlösung des Menschen zum Ziel hat. Dies erreicht der Einzelne, indem er seine selbsterrichteten Schranken erkennt, hierdurch auflöst und so zu größerem seelischen Frieden findet.“


Bei den Aufnahmebedingungen fallen mir zwei Punkte ganz besonders ins Auge, die mein Interesse wecken und mich dazu animieren, nachzuharken, bevor ich irgendetwas weiter ausfülle:
„Für die Teilnahme an einen einführenden Seminar/Auditing muss der Teilnehmer jedoch die folgenden Bedingungen erfüllen […]:
1. Er hat in der Vergangenheit keine Versuche oder Drohungen geäußert, noch diese in die Tat umgesetzt, gerichtlich, behördlich oder über die Medien […] gegen L. Ron Hubbard, Scientology, […] deren Vertreter oder Mitglieder vorzugehen oder Unwahrheiten über sie in der Öffentlichkeit zu berichten, noch haben dies Familienangehörige von ihm getan;
[…]
5. Er hat in der Vergangenheit weder Selbstmord versucht noch jemals ernsthaft beabsichtigt.“


Auf meine Nachfrage erklärt man mir, dass natürlich jeder bei Scientology willkommen sei, dass man zu Punkt 1 allerdings sagen müsse, dass sich jemand, der zuvor gegen Scientology war, erst rehabilitieren, „also Buße tun muss“, damit eine Vertrauensbasis hergestellt werden könne. Der Selbstmordkandidat müsse eine zusätzliche Erklärung unterschreiben, dass er Scientology nicht die Schuld an möglicherweise folgenden Suizidversuchen geben würde, damit in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstünde, das Auditing sei Schuld an diesem. So spricht sich Scientology von Anfang an von möglichen psychologischen Folgen seines Programms frei, selbst wenn eine Vermutung in dieser Hinsicht vielleicht realistisch wäre. Es ist vergleichbar, dass man der Fluggesellschaft beim Kauf des Tickets einen Persilschein ausstellen würde, der ihr jegliches Verschulden im Falle eines Absturzes geben könnte. Flugzeug defekt, nicht die Schuld der Gesellschaft, der Kunde hat ja unterschrieben, dass sie nicht Schuld an möglichen Problemen sei.


[...wird fortgesetzt]

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Donnerstag, 26. April 2007
Die Seelenfänger - Teil 9
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom
Teil 8 - Kläranlage Mensch



Teil 9 – Laienseelsorge

Ein Auditing für Anfänger läuft so ab, dass man sich mit einem weiteren Anfänger zusammensetzt und gemeinsam die Fähigkeit die Dianetik anzuwenden, erlernt. Wenn beide soweit sind, wird drauflos geaudigt, denn beide sind nun fähige Personen, den jeweils anderen von seinen Problemen zu befreien. „Statt einer professionellen Hilfe bekommt man also einen anderen Laien vorgesetzt, der vom Wissensstand kaum weiter ist als man selbst“, erkläre ich mir dieses Vorgehen leicht skeptisch selbst.

„Nein, so kann man das nicht sagen. Es stimmt, dein Sitzungspartner ist ebenfalls ein Anfänger, aber ihr werdet ja gemeinsam angelernt und keiner wird ein Auditing durchführen, solange der ausgebildete Seminarleiter nicht erklärt, dass man selber soweit ist. Der feste Partner dient zur Vertrauensbasis, die aufgebaut werden muss, schließlich muss man sich dem anderen komplett und ohne Kompromisse öffnen.“ Komplett und ohne Kompromisse öffnen, das klingt für mich äußerst gefährlich und vermittelt mir einen ersten Eindruck, dass es sich bei der Organisation wirklich um sektenhafte Strukturen handelt.

Ich spreche das Geld an und möchte wissen, ob das Laien-Auditing, wie ich es nenne, denn umsonst sei, da ja schließlich keine professionelle Seelsorge betrieben würde. Ein Gespräch mit einer Person, der ich vertrauen und mich öffnen muss, stelle ich mir nämlich mit einem guten Freund bei einem Bier sehr viel gemütlicher und hilfreicher vor, aber das sage ich natürlich nicht.

Das Anfangsseminar zum Erlernen der Auditingtechnik würde mich 15 Euro kosten, plus Arbeitsmaterial und ein Buch über Dianetik. Insgesamt käme man auf knapp 50 Euro, „für die man aber solange Auditings durchführen kann, wie man will und bis man sich sicher ist, dass es auch geholfen hat“. Professionelle Sitzungen mit einem erfahrenen Auditor kommen verhältnismäßig teurer, genaue Zahlen will man mir dabei nicht nennen. Ich stelle mir vor, dass ein Erfolg mit einem ungeübten Studenten, wie der Partner bei Scientology genannt wird, wahrscheinlich nicht helfen würde und man den Rat bekäme, professionelle Stunden zu nehmen. Ich, als wirtschaftlich denkender Mensch, würde es so machen.


[...wird fortgesetzt]

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Montag, 23. April 2007
Die Seelenfänger - Teil 8
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom



Teil 8 – Kläranlage Mensch

„Ich habe gemerkt, dass es wohl ein wenig mehr Bereiche geben könnte, in denen du unsere Hilfe brauchen könntest.“ Aha, darauf läuft es also hinaus. „Du hast letztens gesagt, dass du lernen möchtest, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wie stehst du neuen Projekten gegenüber? Startest du lieber welche von dir aus, führst du lieber aus oder stoppst du auch öfters Projekte, die dir nicht gefallen?“

Ich erkläre, dass ich gerne Anschläge für Projekte gebe, die dann aber von anderen ausgeführt werden und dass es mir widerstrebt, bereits angelaufene Dinge zu stoppen, dass ich aber mit Stillstand während einiger Projekte nicht wirklich klarkäme. Alles Fakten, die tatsächlich mich betreffen, aber ich habe jetzt nicht die Zeit, um den unselbstständigen Maximilian weiter auszubauen.
Dann werde ich gefragt, ob ich jemals etwas sehr gewollt, aber nicht bekommen hätte. Mit so einer Frage kann man wohl jedem eine bejahende Antwort entlocken, denn ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass es einen Menschen gibt, der stets all das bekommen hat, worauf er zeigte. Würde ich jetzt Nein sagen, käme man bestimmt auf meine Kindheit zu sprechen und auf das Klischee des Schokoriegels, den man nicht gekauft bekam. Ich sage allerdings Ja und bediene dann ein anderes klares Klischee.

Ich erzähle von einer Frau, die ich sehr geliebt habe, die für mich aber unerreichbar war und ich deshalb nicht an sie herankommen konnte. Das kann Christina nur zu gut verstehen, aber es ist ihr nicht genug. Sie will noch etwas hören. Also erwähne ich WM-Karten. Die wollte ich zwar nicht wirklich haben, da ich es direkt aufgegeben hatte, daran zu glauben, ich könnte welche bekommen, aber Maximilian hat dafür jetzt sehr gekämpft und musste am Ende doch auf das Public Viewing zurückgreifen.
Jetzt habe ich wohl endlich genug Probleme für Scientology. „Ich hab dir das letzte Mal ja ein Seminar zur Stärkung deiner Persönlichkeit vorgeschlagen, aber ich glaube, du solltest lieber einige Dianetiksitzungen mitmachen.“

Dianetik – ein Kaffeekränzchen für Möchtegernpsychologen. Man sitzt in einem Auditing zusammen und die schmerzhaften Erlebnisse, die das heutige Leben unbewusst immer noch beeinflussen, werden hervorgekramt, analysiert, bewältigt und man selbst tut einen Schritt in Richtung Clear.


Clear ist der ausgeglichene, emotional stabile Mensch, der sich seines Selbst vollkommen bewusst ist und dessen reaktionärer Verstand vollkommen ausgeschaltet wurde.
„Was wäre das für eine schöne Welt, wenn alle Menschen über die Fähigkeit der Dianetik verfügen würden. Die Welt wäre sicher, es gäbe keine Kriege mehr, denn jeder Konflikt fängt ja im Kleinen an und steigert sich dann entsprechend. Es kommt immer darauf an, wie viel Macht dieser instabile Mensch dann hat oder erreichen kann“, schwärmt mir Christina vor und ich gebe einige Ergänzungen in die Richtung gehend, dass ich verstanden habe, wie wichtig so eine geclearte Menschheit sei.

Herr Bush und Herr Ahmadinedschad sollten sich dringend in einem gemeinsamen Auditing zusammensetzen und sich gegenseitig ihre schmerzhaften Erlebnisse austherapieren.


[...wird fortgesetzt]

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Donnerstag, 29. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 7
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!



Teil 7 – Das Helfersyndrom

Ich lasse mir einen neuen Termin geben, denn jetzt muss ich schließlich mit dem Hund meiner Freundin Gassi gehen. Obwohl die gute Frau an dem gewünschten Tag wenig Zeit hat, werde ich dazwischengeschoben. Vielleicht ist das der Kundenservice, der bei der Telekom fehlt, vielleicht ist es auch die Angst, dass ich meine Begeisterung über kurz oder lang verlieren könnte. An diesem Termin soll der Test noch einmal eingehend betrachtet werden, damit man mir jegliche Möglichkeit zur Besserung anbieten kann. Ich verabschiede mich freundlich und erwähne noch, dass ich mich sputen muss, da ich viel länger als gedacht geblieben sei.

Dass ich einfach nur den Zug nach Hause noch erwischen möchte, muss ich für mich behalten. Zum Abschied lächeln mir die Betreuerin und der Gründer selbst noch einmal herzlich entgegen und ich erhalte eine Visitenkarte mit der Identität der lächelnden Frau, die dort mit der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit angegeben ist. Ein Muster bildet den Hintergrund der Karte – es hat Ähnlichkeit mit einem Spinnennetz.
In ein paar Tagen werde ich die beiden wieder sehen.


An diesem zweiten Tag mit dem Termin habe ich eigentlich gar keine Lust, mich in den Zug zu setzen und mich danach „beraten“ zu lassen. Viel zu schön ist das Wetter, viel zu sehr verspüre ich den Drang, mich um wirklich schöne Dinge kümmern zu können.
Die Leichtigkeit verspürt wohl auch Christina, meine Betreuerin vom letzten Mal, denn ich werde direkt mit einer Umarmung und einem „Ach, wie schön, du bist hier“, begrüßt. Zwei Dinge, die ich nicht leiden kann, wenn ich eine Person nicht wirklich kenne – allzu großer Körperkontakt und ungefragtes Duzen. Aber da muss man durch. Sie bemerkt wohl mein Unbehagen, als sie fragt, ob wir denn beim Du gewesen wären, für sie sei es so normal geworden, entsprechend freundschaftlich mit den Menschen umzugehen. Dann will sie mir weismachen, dass wir einander ja schon beim letzten Mal gelegentlich geduzt hätten.

Jetzt tun wir es halt, denke ich mir und folge ihr in den Seminarraum. Es gibt kein Seminar, nur ein Gespräch. Christina sitzt mir gegenüber an einem schmucklosen Tisch und sie macht ein ernstes Gesicht.
„Du, ich habe mir noch einmal deinen Test angeschaut und ich sehe da doch ziemlich viel Bedarf, dir zu helfen. Mir sind da manche Sachen auch noch nicht ganz klar geworden.“ Ich beginne mir Sorgen zu machen, dass meine Tarnung vielleicht nicht lupenrein gewesen sein könnte, dass vielleicht meine Zurückhaltung in der Angabe von persönlichen Daten zu streng beäugt wurde. Ich lebe diese zweite Person allerdings während ich in diesen Räumen bin, es dürfte also nicht am guten Maximilian aus der Stadt liegen, dass man beunruhigt ist.


[...wid fortgesetzt]

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Donnerstag, 22. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 6
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung



Teil 6 – Männlein, teste dich!

Es erwarten mich 200 Fragen bzw. Behauptungen, die ich mit Zustimmung, Ablehnung oder einer neutralen, unentschlossenen Haltung beurteilen soll. Zwischendurch bin ich durchaus gespannt, was mir die Antwort auf Fragen wie „Singen oder pfeifen Sie oft einfach so zum Spaß?“ oder „Lassen Sie sich durch Kinder irritieren?“ über mich erzählen können. Geduldig mache ich meine Kreuzchen, lasse die Felder mit den persönlichen Daten aber absichtlich frei.

Auf meinen Hinweis, dass ich nicht wirklich an die Berechnung von Intelligenz und Persönlichkeit durch Tests glaube, bekomme ich die Antwort, dass dieser Test hier immer richtig liege und das auch wissenschaftlich erwiesen sei. Um zu schauen, ob es stimmt, kann man ja den Test zwei- oder mehrmals machen. Klar, würfelt man nur lang genug hat man natürlich irgendwann eine 6 dabei. Schein- oder Zufallskorrelation nennt sich das, erinnere ich mich aus meinem kümmerlichen, statistischen Wissen.

Es dauert ein paar Minuten, bis der Test ausgewertet ist. In der gegenüberliegenden Ecke sehe ich den sogenannten E-Meter stehen, der anhand von Energieströmen die menschliche Psyche erkennen soll. Auf den hatte ich mich eigentlich gefreut, aber man mutet mir heute wohl nur den Papiertest zu. Dieser soll wohl altersabhängig sein, denn ich werde nach meinen Lenzen gefragt, was mich kurz verunsichert. Seltsamerweise habe ich mir ein Geburtsdatum ausgesucht, aber nicht gelernt, wie alt ich damit jetzt sein müsste.

Ich führe mein Zögern auf die Verunsicherung, weshalb für einen Persönlichkeitstest das Alter ausschlaggebend sei, zurück und gebe es dann mit 26 an. Ich sitze mit dem Gesicht zur Wand gerichtet, kann den Bildschirm des PC nicht einsehen, aber mir kommt es so vor, als zähle man einfach nur die Anzahl der Zustimmungen, Ablehnungen und neutralen Haltungen durch und gäbe diese ein. Am Ende kommt aber dennoch ein hübsches Liniendiagramm aus dem Drucker, das mir meine Persönlichkeitsdefizite zeigt.

Ich bin eine äußerst stabile Person, habe feste Überzeugungen und bin sehr, sehr kritisch. Verantwortung weise ich gerne zurück, außerdem bin ich kaltherzig und zurückhaltend. Sagt der Test. Sagt die gute Frau, die mir gegenübersitzt und mir vorher prophezeit hat, es würde jetzt „richtig spannend“. Alles was oberhalb der Linie liege, sei gut, alles darunter seien die Defizite, erklärt sie mir noch mal die Grafik. „Wo sehen Sie denn jetzt Bedarf, sich zu verändern?“ Ja, wo sehe ich den? Wo möchte ich mein zweites Ich verbessern? Dass der Rechtspfleger keine Verantwortung übernehmen will, das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. „In meinem Beruf muss ich schließlich für alles gerade stehen, was ich anordne“, erkläre ich leicht hilfebedürftig und ernte ein mildes Lächeln. Ja, dann sollte man doch dort ansetzen, meint man. Ich erkläre, dass ich mich aber gar nicht so einschätze, dass ich ein durchaus verantwortungsbewusster Mensch sei.

Das müsse sich nicht immer auf Großes beziehen, sondern könne auch auf kleine, unbedeutendere Dinge Einfluss haben. Das Hundesitting, zum Beispiel. Ich hätte doch erklärt, dass ich den Hund eigentlich nicht gerne mag und die Verantwortung nur gezwungenermaßen übernehmen würde, oder nicht? Ja, das hatte ich. Unterbewusst würde ich also die Verantwortung zurückweisen, bewusst aber annehmen, um das Gesicht zu wahren. Ich weiß also gar nicht genau, was ich über mich denke, sondern baue ein falsches Selbstbildnis auf. Na prima, dann haben wir ja mein Problem gefunden, denke ich und schaue hilflos drein.

„Was empfehlen Sie mir denn jetzt, wie ich das verbessern kann?“, frage ich. Man empfiehlt mir ein Seminar, um meine Persönlichkeit in Sachen Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein zu stärken.


[...wird fortgesetzt]

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