Die Seelenfänger - Teil 10
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom
Teil 8 - Kläranlage Mensch
Teil 9 - Laienseelsorge



Teil 10 – Persil

„Magst du vielleicht den Antrag für das Seminar ausfüllen?“, fragt mich Christina und hat die Unterlagen schon in der Hand. Sie klärt mich darüber auf, dass das erste Seminar einfach bezahlt werden könne, dass man aber darauf folgende Veranstaltungen jeglicher Art nur in Anspruch nehmen dürfe, wenn man damit Scientology beiträte. Der Antrag ist drei Seiten lang und von diesen drei Seiten sind nur ein paar Zeilen für die persönlichen Angaben vorgesehen, der Rest besteht aus den AGBs und einer Art Crasherklärung, wie toll Scientology doch sei. Selbst in solch einfachen Schriften wie einem Kursantrag wird die Werbetrommel gerührt.

„Die Scientology-Religion beruht auf den Schriften und anderen Aufzeichnungen ihres Gründers L. Ron Hubbard. Sie stellt ihrem Selbstverständnis nach eine Religion dar, die die geistige Erlösung des Menschen zum Ziel hat. Dies erreicht der Einzelne, indem er seine selbsterrichteten Schranken erkennt, hierdurch auflöst und so zu größerem seelischen Frieden findet.“


Bei den Aufnahmebedingungen fallen mir zwei Punkte ganz besonders ins Auge, die mein Interesse wecken und mich dazu animieren, nachzuharken, bevor ich irgendetwas weiter ausfülle:
„Für die Teilnahme an einen einführenden Seminar/Auditing muss der Teilnehmer jedoch die folgenden Bedingungen erfüllen […]:
1. Er hat in der Vergangenheit keine Versuche oder Drohungen geäußert, noch diese in die Tat umgesetzt, gerichtlich, behördlich oder über die Medien […] gegen L. Ron Hubbard, Scientology, […] deren Vertreter oder Mitglieder vorzugehen oder Unwahrheiten über sie in der Öffentlichkeit zu berichten, noch haben dies Familienangehörige von ihm getan;
[…]
5. Er hat in der Vergangenheit weder Selbstmord versucht noch jemals ernsthaft beabsichtigt.“


Auf meine Nachfrage erklärt man mir, dass natürlich jeder bei Scientology willkommen sei, dass man zu Punkt 1 allerdings sagen müsse, dass sich jemand, der zuvor gegen Scientology war, erst rehabilitieren, „also Buße tun muss“, damit eine Vertrauensbasis hergestellt werden könne. Der Selbstmordkandidat müsse eine zusätzliche Erklärung unterschreiben, dass er Scientology nicht die Schuld an möglicherweise folgenden Suizidversuchen geben würde, damit in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstünde, das Auditing sei Schuld an diesem. So spricht sich Scientology von Anfang an von möglichen psychologischen Folgen seines Programms frei, selbst wenn eine Vermutung in dieser Hinsicht vielleicht realistisch wäre. Es ist vergleichbar, dass man der Fluggesellschaft beim Kauf des Tickets einen Persilschein ausstellen würde, der ihr jegliches Verschulden im Falle eines Absturzes geben könnte. Flugzeug defekt, nicht die Schuld der Gesellschaft, der Kunde hat ja unterschrieben, dass sie nicht Schuld an möglichen Problemen sei.


[...wird fortgesetzt]

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jekylla, Montag, 30. April 2007, 14:44
Nach allem, was man ueber Scientology mittlerweile weiss -zum ersten Mal kam ich ueber bereits erwaehnte Freundin Anfang der 80er Jahre unter dem damals neuen Begriff "Dianetik" in Beruehrung- ist es schon fast einsehbar, dass Scientology nicht die alleinige Schuld an moeglichen psychologischen Konsequenzen gegeben werden kann. Ich sagte schon, dass ich einen gehoerigen Respekt vor der Gehirnwaesche habe, aber das allein reicht schon, um einen grossen Bogen darum zu machen. Mir jedenfalls.

Ich las uebrigens kuerzlich ein hervorragendes Buch mit einem aehnlichen Thema, natuerlich nannte man es anders, aber ... und ich habe den Titel vergessen. Zut...!

nyxon, Montag, 30. April 2007, 18:14
Solche Dinge müssen auch immer auf einen Nährboden fallen, sonst klappt das nicht, denke ich mir. Wenn irgendwo schon der labil-psychische Untergrund gegeben ist, kann der Gehirnwäschedünger seinen Dienst viel besser verrichten.

jekylla, Montag, 30. April 2007, 21:49
Das ist sicherlich wahr. Darueberhinaus halte ich die "Akteure" aber auch fuer so geschult, dass sie labil-psychische Zustaende auch da entdecken, wo man selbst nicht mal welche vermutet.

Die Frage nach den Kosten finde ich auch interessant. Und was macht man mit den erworbenen Kenntnissen? Dient das alles einem kommerziellen Zweck, Publikation etc.?

Wenn ja, gefaehrliches Pflaster. Fuer ein reines Privatvergnuegen eine kostspielige Angelegenheit, wenn man mal rumrecherchiert :-)

nyxon, Montag, 30. April 2007, 21:56
So wie ich das erlebt habe, finden die "Akteure" auch dort Zustände, wo eigentlich gar keine sind...

Sprechen Sie jetzt speziell meine Erkenntnisse und Kosten an, oder meinen Sie das allgemein?

jekylla, Montag, 30. April 2007, 22:39
Dann deckt sich das ja mit meinem Eindruck.

Ja, speziell Ihre, ich habe mich diffus ausgedrueckt. Wobei es mir jetzt weniger um die Kosten geht als um den Zweck. Wenn es denn mehr als wissenschaftliche Neugier sein sollte.

nyxon, Montag, 30. April 2007, 22:56
Es ist der Versuch ein gewisses Niveau hier reinzubringen. Außerdem wollte ich mich am investigativen Journalismus versuchen. Nicht zu vergessen, der Drang nach Wissen, das nicht nur aus den meinungsbildenden Medien stammt.

jekylla, Mittwoch, 2. Mai 2007, 00:10
So wie ich das ueberblicke, schaffen Sie das auch so.
Investigativer Journalismus hat allerdings seinen Reiz, das kann ich aus Erfahrung bestaetigen, wenn natuerlich auch thematisch nicht so populaer. Aber dazu noch bezahlt ;-)

Letzteres - d' accord, verstehe ich.

gorillaschnitzel, Montag, 30. April 2007, 16:26
Was hat dich der Trip eigentlich mittlerweile gekostet?

nyxon, Montag, 30. April 2007, 21:57
Ich gebe den Betrag am Ende der Reihe bekannt.

gorillaschnitzel, Montag, 30. April 2007, 22:40
....gut. Dann sammeln wir...:-)