Samstag, 27. Januar 2007
Schluss mit Lustich
Aus die Maus! Für zahllose Nasen, die sich stundenlang in eine Schlange eingereiht und sich wie Vorzeige-Borg eine Nummer an den Kragen gepappt haben, um einem Hartz IV-Dasein zu entgehen, sowieso, aber auch für uns, die ein wenig Spaß haben wollten. Ab jetzt gibt es keinen Grund mehr, die neue Staffel von Deutschland sucht den Superstar weiterhin zu schauen. Denn der lustige Part ist vergangen, ab jetzt geht es nur noch darum, für einige Wochen mitreden zu können.

Die Castings an sich sind meist das wenig Gute an diesen Retorten-Shows, die musikalische Eintagsfliegen fabrizieren und braven Bürgern mit scheinheiligen Votings die sauerverdienten Cent aus der Tasche ziehen. Denn dort treiben sie sich herum, die wahren Superstars für einen Tag. Dicke Provinzhausfrauen, die sich vor einen Kölner mit Haarausfall, einer mir völlig unbekannten Botoxlippenfrau und einem knusprig braungebrannten halben Hähnchen namens Dieter Bohlen aufstellen und mit ihren „Reizen“ punkten.
Nicht die Reize, mit denen man in der Pornoindustrie Geld machen könnte, sondern das Spaßpotenzial, das für den Zuschauer übrigbleibt. Schöne Haare, F-Körbchen und Unkenntnis über die deutsche Sprache, zum Beispiel. Oder auch zurückgebliebene pubertäre Tokio-Hotel-Fans, die sich anschicken in Unreife, Pickelkonzentration und gesanglichen Unvermögen ihrer Lieblingsband Konkurrenz zu machen.

Traurig, dass sich jeder, der morgens im Halbschlaf unter der Dusche feststellt, dass trotz seiner Stimme das Wasser nicht kalt wird, zum Superstar berufen fühlen muss. Noch trauriger aber, dass es Eltern und Freunde gibt, die sich nicht trauen diesen Menschen offen zu sagen, dass sie völlig talentfrei geblieben sind. Da begleiten sie das Häufchen Elend, sehen zu, wie es sich eine Nummer geben lässt, statt das vielleicht einzige, von gottgegebene Talent zu nutzen, irgendwo Geld mit einer Nummer zu verdienen. Halten Händchen und wischen Tränen fort, wenn „der Heinz und die Anja voll gemein waren“ oder „der Bohlen mich mal kann“.

Aus diesen Gründen pilgern jedes Jahr Tausende zu den Castings und machen sich – wenn es noch einigermaßen gut läuft – zum Affen und – wenn es schlecht läuft – zum neuen Hassobjekt der Nation. Letzteres ist schon schwer genug, wenn man gemeinsam mit Dieter Bohlen im Fernsehen zu sehen ist.

Natürlich sollen hier auch die mit Talent und Charisma gesegneten Bewerber nicht außen vor gelassen werden! Natürlich gibt es auch diese Sorte, die sich eine Nummer ankleben lassen und dann die Bude rocken. Die eine unglaubliche Stimme haben, eine beneidenswerte Ausstrahlung und vielleicht sogar das Glück haben könnten, groß herauszukommen. Aber nicht bei DSDS, der Talentvernichtungsmaschine von RTL! Wo sind denn die aus den letzten Sendungen hervorgegangenen Stars? Alexander singt vielleicht auf Vereinsfeiern der Zwergkaninchenvereinigung im mecklenburgischen Grevesmühlen. Ellie leitet vielleicht eine anonyme Lesbengruppe. Und der Rest sitzt bei RTL-Shows auf der Couch und beleidigt Entertainer, die irgendwann mal wirklich groß waren.

Und solange es niemand schafft, dass ich ihn mir weiterhin freiwillig antue und mir am Ende Applaus abfordert statt Brechreiz, gibt es wohl weiterhin nur Hupfdohlen und Duschkabinenstars, die beste Sendezeit belegen mit ihren Vornamen, die nach einigen Wochen sowieso wieder vergessen sein werden.

Immerhin hatte ich ein paar Wochen lang eine amüsante Überleitung von der Tagesschau zu 24 und einige der Aussortierten bestimmt die Erkenntnis: „Dabei ist alles!“ – hoffentlich nicht wieder in der nächsten Staffel.

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Nyxon reloaded
Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich jemals länger als eh schon morgens vor dem Spiegel brauchen könnte, um zufrieden mit meinem Äußeren zu sein.
...aufgeschnappt bei so einigen anderen...

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Der Dichter und sein Henker
Menschen haben ja verschiedenste Qualitäten. Einige können gut mit sozial Benachteiligten umgehen, andere sind gut darin Leute über den Tisch zu ziehen. Geht man von den Nachrichten aus, haben einige sogar das Talent andere umzubringen.

Herr Nyxon kann mit Worten umgehen.
Und mit Frauen.
Und meistens auch mit den Eltern der Frauen.
Herr Nyxon kann sich gesellschaftlich integrieren und unterhalten.
Alkohol vertragen kann er auch.

Mit Tokio Hotel kann er nicht, aber er hat auch kein Talent diese kleinen Mädchen umzubringen - schade eigentlich.
Mit Zahlen und Buchstaben, die allesamt in eine Funktion gequetscht sind, hat er's aber auch nicht so.
Auch mit dem Rechnen mit eben diesen Funktionen hat er so seine Schwierigkeiten.
Erzählen darüber, wie wichtig solche Zahlen für das Leben sind, das könnte er vielleicht wieder.
Aber verstehen wieso, das geht nicht.

Immerhin ist es vorbei. Herr Nyxon kann das Blut und den Schweiß wieder zusammenwischen und die Demütigung etwas nicht zu können, was er können sollte, wieder nach hinten schieben. Das kann er nämlich gerade noch so haarscharf - seine Defizite akzeptieren.

Wäre es jetzt nicht kurz nach zwei mittags, er würde sich schon wieder hemmungslos betrinken müssen.

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