X-Files: Fachhochschulpubertät

15 Jahre, das ist schon ein Alter. Meist beginnt spätestens in dieser Phase des Lebens die schwerste Zeit von allen, die Pubertät. Man entdeckt sich neu, rebelliert gegen das Establishment, lässt sich Ohrlöcher stechen, steht mit zerschnittenen Hosen an Bushaltestellen herum und fühlt sich äußerst cool. Was andere zu sagen haben wird meist ignoriert oder großkotzig mit Fäkalwörtern angegriffen. Wenn so was bei Menschen in jeder Generation erneut auftritt, dann darf sich eine Lehrinstitution doch auch einmal eine rebellische Phase leisten, meint man.

Die Fachhochschule Gelsenkirchen, speziell der Fachbereich Journalismus und Public Relations in diesem Fall, scheint gerade mit ihren 15 Lenzen auf dem Buckel vollkommen in ihrer pubertären Phase zu stecken, mit allem, was dazugehört. Rebellion gegen die Vorschriften, Verweigerungshaltung bei Belehrungsversuchen, sanftes bis mittleres Chaos im Alltag. Anders kann man sich beim besten Willen die Geschehnisse der letzten Wochen nicht erklären. Denn man sollte doch meinen, dass in 15 Jahren Einschreibungsverfahren auch problemlos ablaufen können, wenn denn mal ein paar Gäste mehr als im letzten Jahr auf der Party erscheinen. Die Fachhochschule scheint jedoch überfordert mit dem Ansturm und zelebriert fröhlich eine Abrissparty. Wenn die Eltern nach Hause kommen, dann kann mit Ärger gerechnet werden.
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nyxon, Montag, 17. September 2007, 09:34
Die Frist zum Einreichen des Zulassungsantrages endete am 15. Juli. Das ist ein Stichtag, den alle Fachhochschulen und manche Universitäten gemein haben. Zwei Wochen darauf wurden die Zulassungsbescheide verschickt. Pünktlich, sauber, ordnungsgemäß eben. Bis zum 15. August solle man doch bitte fehlende Unterlagen einreichen, damit der zugewiesene Studienplatz auch vergeben werden könne. „Wenn die Unterlagen hier komplett eingegangen sind, erhalten Sie eine Zahlungsaufforderung […] und Sie erhalten alle erforderlichen Unterlagen zum Studienstart […]“, schreibt die Fachhochschule in ihrem Zulassungsbescheid. Wunderbar, denkt man sich, so soll es ja auch sein. Mit Poststempel vom 11. August gingen also die Unterlagen komplett auf den Weg. Seitdem wird gewartet. Auf Lebenszeichen. Auf Erklärungen. Auf beruhigende Worte. Ein erster Anruf von Studentenseite her ergab keinerlei brauchbare Informationen. „Sie müssen uns leider etwas Zeit geben, wir arbeiten die Unterlagen ab und schicken Ihnen im Laufe der nächsten Woche alles nach Hause.“ Freundlich, der Mitarbeiter im Studierendensekretariat. Beruhigend, es sei also alles in Arbeit. „Im Laufe der nächsten Woche“ würde also alles eintreffen. Na dann. Das wäre dann also in der 35. Kalenderwoche. Cool down! Das ist doch vollkommen im zeitlichen Rahmen. Das alte Semester endet schließlich auch erst am 31. August, bis dahin ist alles tutti!

Dann kam der erste September. Er ging auch wieder, ohne Unterlagen. Was für den einen oder anderen hieß, ohne neues Semesterticket. Dann in der ersten vollständigen Septemberwoche ein Anruf. Es würde noch eine Bescheinigung der alten Fachhochschule, die besucht wurde, fehlen. Mit einem Fax sei das schnell erledigt und dann könne man auch die „vorläufigen Einschreibungsunterlagen“ herausschicken. Vorläufig? Man käme halt mit der Bearbeitung der Einschreibungsunterlagen nicht so schnell voran wie gedacht, es hätten sich mehr Studenten gemeldet als in den letzten Semestern. Man müsse entschuldigen. Semesterticket? Bescheinigung für den Arbeitgeber, die den Studentenvertrag rechtfertigt? Bescheinigung für die Versorgungsämter, damit der Cashflow nicht abreißt? Alles verständlich und logischerweise emotional erregend, wer habe das nicht schon alles durchgemacht. Aber kommt Zeit, kommt Vorläufiges. Geduld bitte. So in etwa die Beruhigungstaktik des Mitarbeiters.
Geduld. Zwei Wochen vor dem Beginn der Einführungsveranstaltungen. Natürlich. Auch noch länger wie sich herausstellte. Laut direkter Informationen von der Kommunikationsplattform der Kommilitonen aus demselben Fachbereich wurden die ersten vorläufigen Einschreibungsunterlagen und auch Zahlungsaufforderungen für Sozial- und Studienbeiträge am Ende der Woche verschickt, kalendarisch der 6. bis 8. September. Es würde also nicht mehr lange dauern, bis auch der Rest seine Unterlagen erhalten würde. Sollte man meinen. Aber eine pubertierende Fachhochschule lässt sich nicht von Kalendern und Fristen einschüchtern. Viva la revolution! Am 12. September, fünf Tage vor Beginn der Einführungsveranstaltung und somit fast zwei Wochen nach Beginn des Wintersemesters griff der Student wieder zum Hörer. Erste Reaktion wie jedes Mal beim Anrufen: Besetzt. Immer wieder probiert: langes Freizeichen. Dann eine freundliche Frauenstimme. Wo denn die Unterlagen blieben, ich sei auf ein Semesterticket und auf die Bescheinigungen für Arbeitgeber und auch Sozialstellen angewiesen. „Seien Sie bitte noch geduldig, wir schicken Ihnen schon alles rechtzeitig zum Vorlesungsbeginn heraus.“ Ach, jetzt plötzlich zum Vorlesungsbeginn! Gut, das geht konform mit der Aussage „zum Studienstart“ aus dem Zulassungsbescheid. Der freundliche Hinweis, rechtzeitig zum Studienbeginn sei zu spät, da man schließlich sämtliche Beiträge und Gebühren für ein Semester zahle und nicht für den Vorlesungszeitraum, prallte unerschrocken ab. Pubertät halt. Verweigerung. „Tun Sie ja auch. Das Semester fängt ja auch erst zum ersten Oktober an.“ Und warum ende dann das alte Semester bereits Ende August? „Na, wir bieten unseren Erstsemestern ja die Möglichkeit der Einführungsveranstaltungen im September bis zum Beginn der Vorlesungen, also auch des Semesters, zum Beginn des Oktobers. Und bis dahin haben Sie natürlich auch Ihre Unterlagen.“

Kurzes Rechnen. Das Sommersemester endete am 31. August. Fakt. Steht überall. Laut der Mitarbeiterin des Studierendensekretariats der Fachhochschule soll nun also der ganze September eine Art großer Kennenlern-knuddel-wir-lieben-uns-alle-und-bereiten-uns-auf-die-Vorlesungen-vor-Monat sein, der natürlich nicht zum Wintersemester gehört. Komisch, dass neben sämtlichen anderen auch die Gelsenkirchener Fachhochschule auf ihrer Homepage den ersten September als Beginn des Wintersemesters angibt. Da wittert man doch direkt eine große Verschwörung! Und die freundliche Sekretariatsangestellte scheint die einzige Person mit Durchblick zu sein. Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen.

Ob man denn wenigstens nachschauen könne, ob die Unterlagen auch vollständig seien, damit nicht die Einschreibung letztlich daran scheitere, dass man nicht alles beigebracht habe. „Wissen Sie eigentlich, wie viele Unterlagen wir hier liegen haben?“ Zu viele anscheinend, denn sonst bekäme man nicht den Eindruck, diese ganze Hochschulinstitution sei damit überfordert. „Da kann ich unmöglich Ihre raussuchen!“ Stimmt. Blöd gedacht. Wer geht schon davon aus, dass es ein durchdachtes Ordnungssystem gäbe, vielleicht alphabetisch und nach Semesterzugehörigkeit. Oder gar nach Fachbereich, wie absurd. Auch, dass einem wütenden und leicht verzweifelten Erstsemester, der offiziell noch keiner sein darf, geholfen wird. Zuviel verlangt.

Nun, gleich sattele ich mein motorisiertes Pferd Richtung Gelsenkirchen. Einführungsveranstaltung für die Erstsemester im Audimax. Bis heute habe ich keinerlei Unterlagen erhalten, keine Einladung zum Studienbeginn, kein Ticket, keine Bescheinigung. Wenn man es genau nimmt, sitze ich gleich als Nichtstudent in dieser Veranstaltung. Wenn ich dann schon einmal da bin, besuche ich vielleicht bei Gelegenheit direkt mal das Studierendensekretariat. Ich werde Antipickelcreme mitnehmen – gegen die Pubertätsakne der FH. Dann klappt es vielleicht auch mal mit dem Studium.