Samstag, 7. Juni 2008
B1
Ich bin ein Tiger. So einer, der sich ziemlich viel traut, also Neues jetzt. Hätte ich auch nicht von mir gedacht. Erst einmal ist es schon ein ordentlicher Schritt, überhaupt für ein Praktikum nach Berlin zu gehen, finde ich. Dann fahre ich das erste Mal bei einer Mitfahrzentrale mit und noch dazu kommt ein Singleaufenthalt in einem Hostel. Wie ich schon sagte, ich bin ein Tiger.

Mitfahrgelegenheit zuerst. Als ich da so mutterseelenallein am Nordausgang des Hauptbahnhofs stand und mir so dachte: Mensch, die eine Blonde da drüben, die ist ja auch mal nicht von schlechten Eltern - das war kurz nachdem ich dachte, dass dieser kleiner Junge sowas von ungezogen ist, dass er nicht auf seine junge Mama hört - kam mein Fahrer (wie erhaben das jetzt klingt, dabei ist es doch eine Mitfahrgelegenheit) vorgefahren. Und siehe da, die eine Blonde da drüben, die auch nicht von schlechten Eltern ist, sollte doch glatt eine von drei Mitfahrern exklusive mir werden. So unschlechtelterlich wie sie aussah, so sportlich stellte sie sich heraus. Nachdem wir alle zum Kennen lernen das Wetter gelobt hatten, kamen Fahrer und die Blonde ins Gespräch was Sommersportarten anging. Sportmanagement und -tourismus studiert sie. Und der Fahrer macht anscheinend nicht nur in Energie, sondern auch in Sportartensammeln, denn er hatte zu jeder einzelnen eine Anekdote. Liebenswert, aber teilweise überzogen, wie ich fand. Als ich ihm das deutsche Verlagswesen und den Aufbau einer Tageszeitung erklärte, schien er trotzdem beeindruckt. Die beiden anderen Studenten, beide Gastronomen an einer Privatschule und welterfahren ("In Dubai wurde ich besser bezahlt als in Berlin"), hielten sich dezent zurück. Hätte ich anstelle des einen auch gemacht. Fährt zum Geburtstag seiner Mutter nach Berlin, hat aber kein Geschenk!
Bis auf ein wenig Stau hier und da war es fast eine Wiederholung der Fahrt vom gestrigen Abend. Eigentlich hätte ich direkt in Hannover bleiben können, dann hätte man mich Hannover-Lahe aufgabeln können und zack, hätte ich die Verschwörungstheorien der Wirtschaftspolitik verpasst. Schwund ist immer.

Berlin bei Sommer ist übrigens nicht von schlechten Eltern. Nach Einchecken im Hostel ("Du hast Pech, nur Kerle bei dir auf dem Zimmer." - "Ach, sach an!") schlenderte ich mit Rücken - miese Scheißrücklehnen im Kombi - an der Spree entlang und kehrte standesgemäß im Bundespressestrand ein. Monatelange Abstinenz zum Trotz gönnte ich mir ein waschechtes Erdinger Weizen und beobachtete die Shaggy-Dancecombo. Ein wenig komisch kommt man sich ja vor, wenn man da so mit seinem Bier auf einem der Biergartenbänke sitzt und um einen herum ständig das Publikum wechselt.
Der Rückweg war ein Schlendern deluxe. 20 Grad und das wohlige Gefühl eines Weizenbieres in Kopf und Magen. Was könnte es Schöneres geben.

Derzeit: Stimmengewirr. Eine absurde Mischung aus Berlinerisch und Englisch. Und der Wunsch nach einem Bett.

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