Dienstag, 10. Juni 2008
Orangene Revolution
Bei so einem Spiel ist es schwierig zu sagen, wem man ohne allzu schlechtem Gewissen zujubeln kann. Man wägt ab und denkt sich dann, dass man für die direkten Nachbarn und Vladealer sein muss, denn mit denen zu zittern, die einem durch fehlende Fairness und direkter Arschigkeit den Weltmeistertitel im eigenen Land kaputt gemacht haben, geht mal gar nicht.

Und dann lohnt sich diese Entscheidung auch noch in dem Maße, dass die Käseleute die Spaghettipupser in Grund und Boden spielen! Die Wohnmobilkorsos demnächst werde ich ihnen deshalb großherzig verzeihen können.

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B3
...war gar nicht so schlimm. Berlin steht noch. Auf meine Nachfrage, was sich denn da draußen mit großem Krachen und Donnern abspiele, erklärte man mir, dass es sich um eine Feuershow handele, die in einem Club in der Nähe gegen Entgelt geboten würde. Hastigst hinmarschiert erlebte ich nur noch die letzten paar Pupse der Feuershow, die aber das beeindruckende Schauspiel im Zeitraffer boten. MIt einer riesigen Stichflamme schoss das Feuer gen Himmel, explosionsartig und atemberaubend. Dann war aber auch schon wieder Ruhe.

Den nächsten Tag ging ich etwas entspannter an. Die Besichtigungstermine hatte ich den Nachmittag gelegt, daher konnte ich mein Standardlümmelprogramm genüsslich in den Vormittag legen. Ich begann am Reichstag rumzulümmeln, setzte das im Tiergarten fort und blieb dort auch eine Stunde, ohne irgendetwas getan zu haben. Die Frauenwelt beglückte ich mit offener Hemdfront, meine Augen mit der Sonnenbrille und mich selbst mit einer kühlen Flasche Wasser. Irgendwann stieg ich empor und schlenderte gen Bellevue, von wo aus ich mit der S-Bahn einfach mal quer durch die Stadt tuckerte. Mein erster Besichtigungstermin rückte näher, daher hatte ich mir überlegt bis Alexanderplatz zu fahren, von dort aus mit der U-Bahn nach Gesundbrunnen und dann die restliche Strecke mit der Ringbahn. Da mich eine Diskussion in der S-Bahn fesselte, in der ein zotteliger Jugendlicher - ich glaube, es waren irgendwelche Musikschüler, jedenfalls hatte mich beim Einsteigen einer fast mit seinem Gitarrenkoffer ausgeknockt - mit seiner Lehrerin darüber debattierte, wie schwerwiegend man die neuen Sicherheitsgesetze sehen müsse. "Der Schäuble ist doch für Deutschland gefährlicher als der Terrorismus", sagte er und ich stimmte mit einem genüsslichen Schmunzeln vollends zu. Die Lehrerin murmelte noch etwas von Stasi und dann war da auch schon der Ostbahnhof und mit ihm die Ausstiegszeit der Gruppe. Ich hingegen fuhr noch bis Ostkreuz. Dort amüsierte ich mich erneut. Über das Bauplakat der Deutschen Bahn, die großspurig ein Morastloch neben dem Gleisbett als "Baumaßnahme zur Modernisierung Berlin Ostkreuz" titulierte. "Fertigstellung 2014". Kein Wunder, wenn die schon so anfangen.

Sexistisch: Press to enlarge your picture!
Dann war ich aufgeschmissen. Statt vom Ostkreuz mit der Ringbahn zum Prenzlauer Berg zu kommen, stand ich neben der Zuganzeige "Kein Zugverkehr" und dem Umstand, dass wohl auf diesem Abschnitt Baumaßnahmen durchgeführt werden und nur Pendlerverkehr als Ersatz stattfindet. Von wo aus dieser startet, stand nirgendwo. Monsieur Nyxon, sich mal wieder zu schade, nach dem Weg zu fragen, schlenderte also los in die Richtung, wo er Prenzlauer Berg vermutete. Die Richtung stimmte, denn nachdem ich einige Minuten durch eine unerwartet schöne Gegend mit zahlreichen Straßencafés und kleineren Parks gegangen war, gab es auch eine Straßenbahn, die in die korrekte Destination rollte. Licht und Schatten von Berlins Osten bot sich mir, da ich durch LichterfeldeLichtenberg (Korrektur freundlicherweise von Frau Lac angestoßen) und damit durch endlose Reihen an Plattenbauten fuhr, bevor ich wieder in die schönere Gegend von Berlin kam.
In Prenzlauer Berg hatte Bart van Butselaat, ein Electromusikproduzent ohne Künstlernamen wie man zuerst fälschlicherweise vermuten mag, vergessen, dass ich kommen wollte, um das Zimmer anzuschauen. Recht flexibel bot er mir dann doch noch eine Tour an. Sehr viel gefasster und vorbereiteter als Bart machte mir eine Stunde später ein langhaariger Endzwanziger in Tempelhof die Tür auf und bat mich in die Wohnung, in die ich mich sofort verliebte. "Du bist hier am Arsch, das weißte, ne?", sagte er, als ich mich nach der Gegend erkundigte. "Aber wir fahren sowieso zum Feiern meist Richtung Mitte." Noch ein Anruf, und wenn er und seine Mitbewohnerin genauso denken wie ich, sollte es diese Wohnung sein. Wenn nicht, kann ich immer noch bei Bart unterkommen.

Meinen Nachmittagslunch nahm ich unter einem der S-Bahnbögen ein, in einem netten kleinen Restaurant namens "Triangel", das neben einer äußerst belustigenden Speisekarte auch sehr leckeren Salat zu bieten hatte. Zum Verdauen legte ich mich noch einmal auf eine Grünfläche an der Spree, wo ich sowohl Zeuge von Berliner Freizügigkeit ("Kerstin, dit kannste jetzt nüscht ausziehen, da kiekt der doch!" - "Ejal, der wird schon seenen Spaß dabei haben!") als auch von inneren Vatergefühlen wurde, als ich unerwartet lange eine junge Mutter mit ihrem Baby beobachtete, ohne direkt an der Frau interessiert zu sein.
Die Rückfahrt mit dem gleichen Fahrer wie am Freitag gestaltete sich weniger lustig und kommunikativ. Statt einer bunten Mischung hatten wir diesmal ausschließlich Testosteron an Bord, was dazu führte, dass ich mich meiner Müdigkeit hingab und erst durch das süße Säuseln von Rufus Beck geweckt wurde, der durchaus ambitioniert, aber für meinen Geschmack doch recht eintönig Harry Potter und der Halbblutprinz las. Nach vier Stunden Fahrt nur mit Harry im Ohr und sonst keinerlei Konversation weiß ich wenigstens wie Voldemort zu seiner nahen Unsterblichkeit gekommen ist.

Ach ja, und dass Berlin genau meine Stadt werden kann, das weiß ich nach diesem Wochenende auch.

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