Henning Sußebach wurde raumtechnisch arg geschnitten. Sowieso sind die Räume hier für den Andrang nicht geschaffen. Weil Henning zerquetscht werden könnte, gehen wir stattdessen zur „GEO-Tante“, wie einer meiner Kommilitonen sie nur nennt. Sie erzählt uns etwas über ihren Kampf mit der Subjetivität. Sie wird ständig von einer Rampensau des NDR unterbrochen, der sich selbst beweihräuchern muss. Das ist ein Punkt, der auf fast jeden hier zutrifft: das Zurschaustellen des Egos. Schwanzvergleich im Namen der Recherche. „Ich habe für den SPIEGEl geschrieben.“ - „Wurde dein Text nicht abgelehnt und nicht gedruckt?“ - „Schon, aber ich hatte ihn speziell für dieses Magazin geschrieben, der funktioniert nirgendwo anders.“

Auch das Mittagessen hat man auf zu wenig Raum angelegt, hat dafür aber nicht beim Genuss gespart. Wir kämpfen uns tapfer durch und gehen gesättigt zur nächsten Veranstaltung. Nikolaus Brender steht mir im Weg, aber ich schiebe ihn mit sanfter Hand auf der Schulter und einem „Entschuldigung, dürfte ich mal?“ zur Seite. Ich kann auch anders, ich muss Leute nicht immer umrennen, wie zuletzt den Hansmann!

Frau Heise mit ihren affektierten Getue, sie sei die Königin des Raumes, kotzt mich bereits nach den ersten paar Sätzen an. Würde sie nicht die Autoren einer interessanten Broschüre zur rechten Szene vorstellen, vielleicht würde ich wieder gehen. Aber die beiden Autoren, Stefan Schölermann von NDR Info und Christine Kröger vom Weser-Kurier, haben sehr viel Interessantes zu berichten. Recherche im rechten Milieu ist ein Thema, dass mich schon seit längerem fesselt und dem ich viel abgewinnen kann. Meine Frage, wie die beiden den Informationsgehalt von offiziellen NPD-Veranstaltungen zu Recherchezwecken beurteilen, ist dann glücklicherweise die letzte, die Frau Heise selbstverliebt zulässt und die Antwort von Stefan Schölermann, man müsse sich als Anfänger auf jeden Fall dort tummeln, die Funktionäre verfallen selbst dort allzu oft in ihr altes Rollenmuster, gibt mir das, was ich als Antwort brauche.

Wir machen eine Kaffeepause und dann ist Herr Lebert an der Reihe. Stephan Lebert, der bekannte Zeit-Autor mit seiner unkonventionellen Art zu schreiben ist auch ein begnadeter Redner. Erst erzählt er uns etwas von seiner Recherche zur Starnberger Republik, gibt Anekdoten zum besten, die den Hintergrund rund um seine Reportage sichtlich erhellen und uns immer wieder herzhafte Lacher entlockt. Dann stellt er sich geduldig und mit Witz den Fragen des Publikums und gibt selbst dann nicht auf als der vierte Student ehrfürchtig fragt, ob Lebert Tipps und Tricks wisse, wie man „auf Ideen kommt“. Raus, denke ich mir, geh raus, wenn du dir das im sechsten Semester nicht beantworten kannst. Der Student bleibt und auch Lebert versucht ihn nicht zu enttäuschen. „Gehen Sie mit wachem Blick durch Ihr Leben und versuchen Sie, die Wirklichkeit mit Temperament zu sehen.“ Best Satz ever an diesem Tag ist allerdings seine Erklärung, dass ihm bei der Recherche am Starnberger See am meisten ein Arzt mit dem Spezialgebiet der Penisverlängerung bei der Kontaktaufnahme geholfen hat. „Denn dort geht es in der Tat nur darum, wer den Längsten hat.“

Der nächste Tag steht im Zeichen des Streits. Podiumsdiskussionen wohin man schaut. Als erstes besuche ich das Streitgespräch zu den Leitmedien, in dem sich Nikolaus Brender vom ZDF und Nicolaus Fest von der BILD gehörig die Meinung sagen. Wäre da nicht noch Hans-Werner Kilz von der ZEITSüddeutschen, der mit Witz und Charme die Waage halten kann, das Thema hätte auch heißen können: „Ist und bleibt BILD Leitmedium der Deutschen?“
Danach kriegt der Telekom-Sprecher Philipp Schinderra von Kuno Haberbusch rhetorisch eins über die Mütze. Der arme Kerl muss erklären, weshalb die Telekom eine Zeit lang wie die Stasi agieren konnte und keiner vom Top-Management es gewusst haben will. Schinderra macht auf Mitleid, dass er nicht in die laufenden Ermittlungen eingreifen wolle und auch ihm diese ganze Sache alles vermiest: „Als mich Georg Mascolo vom SPIEGEL anrief, um über das Fax zu sprechen, war ich gerade auf dem Weg in den Familienurlaub. Den musste ich dann natürlich absagen.“ Allgemeine Bestürzung im Raum. „Wir verstehen es, Leuten den Tag zu versauen“, erwidert Mascolo darauf süffisant und der Raum tobt vor Begeisterung.

Aufgrund von Raumfindungsproblemen kann ich nicht an der Veranstaltung zum Campusjournalismus teilnehmen. Aber man hat ja für alles seine Leute und deshalb weiß ich zum Schluss doch noch, was die Macher von Halbstark zu sagen hatten und welche Lehren man daraus für unsere eigene kleine Studentenzeitung ziehen kann.
Zum Schluss des Tages gibt es ein Heimspiel. Unser Institutsleiter muss mal wieder verteidigen, weshalb man einen Studiengang anbietet, der Journalismus und PR in einem Zug lehrt. Ihm gegenüber sitzen der Direktor des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaften der Uni Hamburg, Siegfried Weischenberg, und eine fürchterlich angesäuerte Journalistikstudentin aus Leipzig, Greta Taubert, die es bereits im Vorfeld als „unerträglich“ titulierte, dass man PR mit in eine journalistische Ausbildung packt. Wäre sie bei uns am Institut im Schwerpunkt PR, wäre sie allerdings Einserkandidatin, so wie sie es versteht, Eigen-PR zu betreiben. Souverän wird sie deshalb nicht nur von unserem eigenen Institutsguru, sondern auch vom Publikum und dem Chefredakteur des Hamburg-Magazins, York Pijahn, abgebügelt. Letzterer ist Absolvent der renommierten Henri-Nannen-Journalistenschule und meint: „Ich hätte es gut gefunden, in der Ausbildung auch etwas über PR zu lernen, denn nur so kann man die Strategien dieser Menschen verstehen und nachvollziehen.“ Man muss dazu sagen, dass der Mann als Chefredakteur selber PR betreibt, indem er ein Magazin für Hamburg macht, dass die örtliche Marketingabteilung der Stadt herausbringt. Seine Argumentation hat mich auf jeden Fall beeindruckt und auch überzeugt.

Bildquellen
Sußebach: RepoterForum
Brender: ZDF
Lebert: henri-nannen-preis.de
Haberbusch: NDR

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