Donnerstag, 1. März 2007
Die Seelenfänger - Teil 2
Teil 1


Der erste Kontakt


Ich werde von einer Frau empfangen, die es wohl nicht so ernst nimmt mit ihrer Erscheinung, ein Mauerblümchen, verunsichert und bereits mit meinem Anliegen, mehr über Scientology erfahren zu wollen, sichtlich überfordert. Ich stelle ein paar unbedeutende Fragen, zu denen ich die Antwort bereits weiß. Sie werden knapper als im Netz beantwortet und ich fühle mich ein wenig alleingelassen von dieser Dame.
Mein Blick schweift durch die Räumlichkeiten. Alles hier ist sehr eng und wirkt bedrückend, die Wände sind zutapeziert mit bunten Tafeln und Postern, die alle die Lehre des Lafayette Ron Hubbard aufs Höchste preisen. Dieser Mann ist hier wahrlich der Messias, sein Konterfei strahlt von überall herab. Hinter einer Glaswand steht ein kleiner Tisch mit einem Schildchen darauf. „L. Ron Hubbard – Gründer“ steht darauf.

In jeder Ecke stehen mehr oder minder dicke Bücher, alle tragen sie seinen Namen und sind wie die Romane von Dan Brown gestaltet. Es wird ein Buch herausgesucht: „Was ist Scientology?“ Darin soll auf mehreren hundert Seiten alles beantwortet werden; ich sehe auf jeder dritten Seite ein Bild, das über eine Doppelseite geht und kurze Texte auf den übrigen. Würde man den Text herausnehmen, kämen vielleicht 30 Seiten in DIN A4 zusammen. „Das ist also so etwas wie die Bibel der Scientologen“, scherze ich und werde missmutig angeschaut. Das könne man gar nicht miteinander vergleichen, werde ich belehrt und gemeinsam blättern wir ein wenig durch das Bilderbuch. Ob ich vielleicht Infomaterial für Zuhause haben könnte, frage ich bescheiden.

Man drückt mir eine Broschüre in die Hand und weiß nichts mehr mit mir anzufangen. Scheinbar ist man es nicht gewohnt, dass einfach Leute von der Straße hereinkommen und „nach Antworten suchen“, wie es einen die Plakate prophezeien.
Dann kommt Hilfe herbeigeeilt. Plötzlich herrscht ein unsichtiges Wuseln in den Räumen. Mir wird eine Frau mittleren Alters vorgestellt. Während ich nur den Nachnamen meiner extra für diesen Zweck erdachten Scheinidentität nenne, stellt sich die Frau einzig mit ihrem Vornamen vor. Alle wollen wohl eine große Familie sein in diesen Räumen. Ich erkläre mein Anliegen, dass ich viel über Scientology gehört habe und mir einen eigenen Eindruck machen möchte. „Das ist gut, denn unsere Philosophie heißt auch, man solle nur an das glauben, was man selber gesehen hat“, erklärt mir der Vorname und bietet mir an, ich könnte mich anhand eines Films ein wenig aufklären lassen. Ich nehme bereitwillig an und während man den Film vorbereitet, werde ich über mein Leben befragt.

Befragt ist zuviel gesagt, man stellt mir ein paar belanglose Fragen, was ich beruflich täte und wie ich auf Scientology gekommen sei. Für diese Menschen hier bin ich in der Stadt wohnhaft und arbeite seit kurzem in der örtlichen Justizbehörde. Ich gebe mich als das aus, was ich früher einmal gerne geworden wäre, mir aber durch eine unüberbrückbare Einstellungsklausel versagt blieb: Rechtspfleger. Ich erzähle von meinem Arbeitskollegen, der mir während eines Trinkabends von der Kirche erzählt habe, dass eine Grundsatzdebatte mit anderen Anwesenden ausgebrochen sei und dass ich deswegen hier sei, um mir die Sache selber anzuschauen. Man lächelt gnädig und lobt mein Engagement, die Initiative zu ergreifen und nicht einfach das zu glauben, was erzählt wird.


[...wird fortgesetzt]

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