Die Seelenfänger - Teil 3
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt



Filmzitate sind der Seite imdb.com entnommen.

Die Marketingmaschinerie

Ich dachte, ich bekäme den Film auf dem normalen Fernseher zu sehen, stattdessen werde ich in einen kleinen, stickigen Vorführraum im Kinostil gebracht. Eine kleine Projektionsleinwand, sechs lederne Stühle, zwei große Lautsprecher. So präsentiert sich Scientology. Die Tür wird geschlossen, ich alleine gelassen, der Film beginnt zu rattern.
Es ist ein amerikanischer Film im Original. „Orientation“. Die deutsche Übersetzung wird auf einem digitalen Spruchband unterhalb der Leinwand mehr schlecht als recht wiedergegeben. So amerikanisch die Sprache, so amerikanisch die Filmaufmachung.
„We can arise above the decay - the final flash that will inevitably extinguish this planet. It is not our mission to save it. It is our mission to free you. You are an immortal being. Your life will not halt because this planet halts. You can go on.“
Man merkt sofort dass etwas verkauft werden soll, denn eine neutrale Dokumentation sieht anders aus. Mein Haus, mein Auto, meine Frau – hier nur in der Variante „Die Scientology Church of Los Angeles, der Scientologyverwaltungssitz in Florida und (da habe ich nicht schlecht gestaunt!) das Scientologyschiff Free Winds! Ich komme mir in der Zeit zurückgesetzt vor, als aus Kostengründen viele Spielfilme in Kulissen statt an Originalschauplätzen gedreht wurden. Ein Moderator mit einer Frisur wie sie John Kerry im letzten Wahlkampf getragen hat und der mir auch irgendwie bekannt vorkommt, tut so als wäre er über die Vorgehensweise Scientologys vollkommen im Unklaren. Er spaziert mit mir durch eine Pappmachéwelt, in der ebenso schlecht geschauspielert, Scientologen ihre Kreise ziehen und wie in einer Aufführung sämtliche Aktivitäten überspitzt darstellen.

Man erklärt mir, dass Hubbard, der allgegenwärtige Gründer, in 29 Fachgebieten ein Experte, dass er Schriftsteller, Wissenschaftler, Forscher, Ingenieur und vielleicht sogar einer der intelligentesten Männer der Welt gewesen sein soll. Dass er trotz all seines Wissens mit einem Vierer-Durchschnitt seine Examen abschloss und die Universität am Ende gar ohne Abschluss verlassen musste, scheint seiner Größe keinen Abbruch zu tun - denn es wird nicht erwähnt. 250 Bücher über seine Wissenschaft, die Dianetik, hat er geschrieben und wurde von der US-Regierung verfolgt, weil die sein Programm für ihre militärische Zwecke hatte nutzen wollen.
„The government had been spending millions of dollars experimenting with mind control, all in a grand scheme to make men more suggestible. But Dianetics could undo their efforts to bend men's minds and brainwash them.”
Hubbard wird als Held gefeiert, da er sich gegen alle Widerstände zur Wehr setzte und weitermachte.
„That's one of the reasons people love him. No one else would have had the courage to go through all that, and complete his work as well.”
Es gibt etliche Kirchen, Missionen und Abteilungen auf der Welt, die von Scientology betreut werden.


[...wird fortgesetzt]

Kommentieren



jimpansen, Dienstag, 6. März 2007, 14:49
Erfreuen und bedienen Sie sich Ihres Verstandes, auf dass sie es nicht den vielen Anderen gleichtun und auf die Augenwischerei dieser Sekte hereinfallen...

...allerdings denke ich nicht, dass Sie sich in ernste Gefahr begeben werden, dafür machen Sie einen zu gescheiten Eindruck auf mich...

nyxon, Dienstag, 6. März 2007, 18:16
Danke, dass Sie es ebenso sehen, wie ich mich auch persönlich einschätze.
Während meiner Recherchen drohte ich zu keiner Zeit, mich diesen Menschen offen hinzugeben, dafür bin ich wohl nicht blauäugig genug.

Ich kann mir nach meinen Erfahrungen aber besser vorstellen, dass die Anwerbungstechnik bei labileren Menschen durchaus auf fruchtbarem Boden fallen kann.

zampano, Dienstag, 6. März 2007, 23:21
Klasse! Wirklich Klasse!
Ich hatte vor einigen Jahren mal eine ähnliche Idee, aber die Umsetzung hab ich dann doch nicht hinbekommen. Bei mir ist es dann beim Hoffen auf einen Zeugen Jehovas Besuch geblieben.
Gerade das auf die Jungs selber zugehen fand ich spannend, da auf einen Plutz alle üblichen Gesprächsstrategien der lieben Fänger über den Haufen gerannt werden und sie auf einmal mit jemandem konfrontiert werden, der wirklich was wissen will...ogottogottogott.
Bin schon unheimlich gespannt, was da noch alles kommen mag aus dieser Undercover-Aktion. ;-)

nyxon, Mittwoch, 7. März 2007, 08:43
Erstmal Danke für das dicke Lob!

Man scheint dort wirklich erst etwas konfus zu sein, wenn man selber ankommt und Dinge wissen will. Es hat länger gedauert, bis man sich auf die veränderte Situation einstellen konnte...

Und glauben Sie mir, da kommt noch einiges!!! :)

cosmomente, Mittwoch, 7. März 2007, 10:28
Ich habe mal gelesen, dass Scientology sich auch in bestimmten Fernsehserien breit gemacht hat. Es gab vor einigen Jahren eine TV-Serie (ich weiss ihren Namen leider nicht mehr), in der problembeladene unglückliche Menschen auf eine Insel in den Urlaub fuhren, sich dort vor einen Wasserfall setzten und in einer Art Katharsis ihre Probleme rekapitulierten und dann abschlossen, um für immer glücklich nach Hause zurückzukehren. Diese Serie war wohl von Scientology gedreht und sollte sozusagen "vorbereiten" auf das Prinzip der Sekte. Wenn also labile Menschen auf der Strasse angesprochen würden, sollte ihnen das Prinzip der schnellen Heilung schon bekannt vorkommen.

P.s.: Eine mutige und gute Idee: Ich warte auch schon sehr gespannt auf die Fortsetzung!

nyxon, Mittwoch, 7. März 2007, 19:57
Über so eine Serie habe ich noch nichts gehört, aber es klingt ganz nach der Vorgehensweise von Scientology. Dort wird sehr viel mit visuellen Reizen und dem Bild eines konfliktfreien, schönen Utopias gearbeitet, das Konzept einer reinwaschenden Insel passt also perfekt.

Ich werde da mal Post-Recherchen durchführen, mal schauen, ob ich da mehr herausbekomme. Danke für den Hinweis!

bluetenstaub, Mittwoch, 7. März 2007, 20:23
Ich bin mit einer Zeugin Jehova(s) befreundet. Bin ich jetzt hochgradig gefährdet? ;)

mark793, Mittwoch, 7. März 2007, 20:28
Sollten Sie tatsächlich
auf eine intelligente Vertreterin dieser Spezies gestoßen sein, Fau Blütenstaub? Die Exemplare, die mir bisher über den Weg liefen, waren wohlwollend ausgedrückt eher von simplerem Gemütszuschnitt.

bluetenstaub, Mittwoch, 7. März 2007, 20:43
Na gut, ich muss das wohl etwas relativieren. ;)

Sie ist eine ungewöhnliche Vertreterin ihrer Spezie. Zum einen verfügt sie in der Tat über Intellekt, zum anderen ist sie ein absolutes Party-Mäuschen, selbstbewußt, raucht und trinkt Alkohol, hat - öhm - doch recht häufig wechselnde Männerbekanntschaften. Und vor anderer Leuts Haustüre stand sie auch noch nie rum.

Dennoch geht sie regelmäßig in die Versammlung, feiert weder Weihnachten noch ihren Geburtstag und ist wirklich entzürnt, wenn es dennoch jemand wagt, ihr zu gratulieren.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dieser Gemeinschaft nur noch aus Tradition angehört. Sie ist das Kind zweier Zeugen und mit dieser Sekte aufgewachsen. Im Schullandheim hatte sie auch völlig selbstverständlich einen "Wachtturm" als Bettlektüre dabei. Ihre Eltern wissen natürlich nichts von ihrem aktuellen Lebenswandel, denen spielt sie die brave Tochter vor. Mal schauen, wie lange das noch gut geht.

All die Jahre, die ich sie jetzt kenne (seit der Schule) stelle ich aber eine deutliche Entfremdung bei ihr fest, und ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sie dieser Gruppierung komplett den Rücken zuwendet.

nyxon, Mittwoch, 7. März 2007, 21:08
Ich habe mich bisher noch gar nicht wirklich mit den Gepflogenheiten der Zeugen Jehovas auseinandergesetzt, deswegen kann ich dazu nur wenig beitragen. Das, was ich bisher weiß, macht mir aber einen sehr viel weniger sektenhaften und gefährlichen Eindruck als bei den Scientologen.

Sie, Frau Bluetenstaub, machen mir nicht gerade den Eindruck als seien Sie eine labile, leicht zu beeinflussende Person, deswegen vermute ich das Gefahrenpotenzial bei Ihnen eher im unteren Bereich ;)

wort-wahl, Donnerstag, 8. März 2007, 01:57
weiter so. großes lob an ihre interne rechercheabteilung, herr nyxon. ^^

nyxon, Donnerstag, 8. März 2007, 08:26
Ich werde das gerne an meinen Stab weiterleiten :)