Nachtessenz
Dass ich eine Nacht durchgetanzt habe ist schon lange her. Der Wille war oft genug vorhanden, doch fehlte es entweder an Zeit, Geld, der richtigen Location, den richtigen Leuten zur Location oder einfach der Lust dazu. Diese Nacht war dann zur Abwechslung anders. Auch, wenn sie eher unspektakulär an einer einsamen Bushaltestelle in Essen-Altenessen anfing. Der Motor unserer Bewegung hatte plötzliche keine gute Laune mehr, was daran gelegen haben könnte, dass Kritik an der Partyplanung offenbart wurde. Die eine Hälfte von uns lief zielsicher in die Richtung schlechten Geschmacks (Schlagerhütte), während die andere Hälfte erst gelähmt von Zehneuroeintrittsalpträumen der erst anvisierten Location sich dann der Gefolgschaft verweigerte.
Zum Schluss waren es dann ich und eine weibliche Begleitung allein, die sich in die Nacht des Essence-Club warf. Um hereinzukommen musste ich nicht nur mein Hemd entblößen, sondern auch eine Erklärung unterschreiben, dass ich durch Beitritt zum "Smoker's Club" den Rauch der Partygäste bewusst inhalieren könne, um damit "die gegenseitige Toleranz von Rauchern und Nichtrauchern" zu fördern. Der Eintritt war also nicht nur soziales Engagement, sondern auch enormer Egoshoot, denn kaum waren wir drin, waren wir auch plötzlich furchtbar cool. Um uns herum nur geschniegelte, geschminkte, getunte und geleckte Menschen. Entweder welche, die es wirklich waren oder welche, die es sein wollten. Wir passten uns notgedrungen an die Masse an. Zu elektronischer Musik kann man auch tanzen, wenn um einen herum die High Society die Hüften wiegt. Mit einem 6-Euro-Wodka in der Hand ließ es sich dann auch sehr viel besser high leben.
Wäre die andere Hälfte mitgekommen und hätten die Füße meiner Begleitung in diesen furchtbar spitzen Schuhen (weshalb tun sich Frauen solche Qualen an?) länger zum Tanzen durchgehalten, ich hätte diesen Laden lieben gelernt. So machten wir uns gegen fünf auf den Heimweg. Sie barfuß, ich barbarisch gut gelaunt. Irgendwann stieg sie in den Zug und ich in den anderen und dann kam ich irgendwann auch an. Der Rest ist Nirvana. So teuer und arrogant es auch war - ich könnte mich in der Tat daran gewöhnen, upperclass zu feiern.

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sanddorn, Sonntag, 13. Juli 2008, 13:55
den Rauch der Partygäste bewusst inhalieren könne, um damit "die gegenseitige Toleranz von Rauchern und Nichtrauchern" zu fördern???

Entschuldige, dass ich da nicht so ganz sehe, wo die beidseitige Toleranz versteckt ist!

Aber was die furchtbar spitzen Schuhe anbetrifft: Du kennst doch den Spruch: Wer schön sein will muss leiden ;) Ich zum Beispiel hab so ein Paar Stiefel, die zwar nicht spitz, aber hoch sind. Rennen nach der Bahn oder so geht damit mal nicht. Und wenn ich wieder zuhause bin, freue ich mich auch jedesmal wieder rauszukommen. Aber da es im Laden damals Liebe auf den ersten Blick war (eine Liebe, die noch immer nicht verblasst ist), musste ich sie einfach haben. Allzu oft hatte ich sie nicht an, aber wenn... dann war's immer eine tolle Nacht :)

nyxon, Sonntag, 13. Juli 2008, 15:25
Ich habe, wie ich gerade bei genauerem Lesen bemerkt habe, auch einen Teil unterschlagen. Wortwörtlich heißt es zur Förderung der Rauchkultur: "Dadurch soll die Rauchkultur, die gegenseitige Toleranz von Rauchern und Nichtrauchern sowie die Rücksichtnahme von Rauchern auf Nichtrauchern gefördert werden."
Wie man's dreht oder wendet, es kommt zum Schluss doch nur heraus, dass man unterschreibt, damit in dem Club geraucht werden darf.
Das hat gestern auch keineswegs gestört, muss ich zugeben, denn die hatten eine so gute Umlüftung, dass ich vom rauchenden Umfeld fast nicht mitbekommen habe und es auch nicht unangenehm warm beim Tanzen wurde.

Ich habe mir übrigens zum Schluss sagen lassen, dass es gar nicht an der Spitze der Schuhe gelegen hat, sondern an seitlich gelegenen Riemen, die sich schmerzhaft in die Zehen geschnitten haben. O-Ton Begleitung: "Wenn ich die Füße abschneide würde es wohl weniger schmerzen."

cabman, Sonntag, 13. Juli 2008, 14:36
Du solltest das öfter machen und genau SO darüber bloggen. Eine Freude, für mich, dies zu lesen. Tolle Bilder auch!
Bravo.

nyxon, Sonntag, 13. Juli 2008, 15:28
Herzlichen Dank! Sollte ich irgendwann zur finanzstarken Elite gehören, werde ich das wohl gerne öfters machen. Oder du finanzierst meine Partytrips, um hier darüber lesen zu können :)

Durch die gestrige Nacht habe ich gemerkt, wie ich es vermisst habe, mal wieder richtig abzutanzen. Preise hin oder her.

kekskind, Montag, 14. Juli 2008, 10:51
Es war keine Schlagerhütte... es war ziemlich lustig, Herr Nyxon!!! Das nächste Mal würde ich allerdings die komplette Formation bevorzugen.

nyxon, Donnerstag, 17. Juli 2008, 23:32
Ja, das war in der Tat unglücklich gelaufen, was das Gruppengefühl anging. Aber der Name "Musikpalette" klang erstens furchtbar abturnend und zweitens hatte Herr P. ja auch nicht gerade werbende Aufklärung betrieben.