Sonntag, 4. März 2007
Noch einmal jung sein …wie ein Profi
Sie kennen das! In einer stillen Minute des Zurückdenkens wird Ihnen klar, dass Sie aus dem frischen Alter heraus sind. Viel zu viele Kerzen schmücken Ihren Geburtstagskuchen und die Zahl Ihrer Lenze treibt Ihnen die Schamesröte ins Gesicht, weil manche Grundschüler noch nicht soweit zählen können. In der U-Bahn wird Ihnen ein Platz angeboten, obwohl Sie doch cool und lässig an der Tür stehen wollen.
Sie sehnen sich zurück in eine Zeit, in der Sie noch nach dem Ausweis gefragt wurden, um Schnaps zu kaufen oder in der Sie auch einmal nachts sturztrunken im Vorgarten geschlafen haben.

Zuerst sollten Sie sich entscheiden, welchem Geschlecht Sie angehören wollen. Besonders in der pubertären Phase der Neujugend ist diese Ausprägung nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Wollen Sie ein Junge sein, lassen Sie sich ein flaumiges Ziegenbärtchen stehen und kaufen Sie sich Hosen, die zwei Nummern zu groß sind, damit sie lässig an den Kniekehlen angelegt werden können. Legen Sie sich einen trendigen Namen zu, wie zum Beispiel Mike Leon, Justin oder Bill. Ist das Mädchensein für Sie besser geeignet, sollten Sie bedenken, dass diese in jungen Jahren sparen müssen. Tun Sie das in erster Linie beim Stoff Ihrer Oberbekleidung. Bauchfreie Tops sind out, kaufen Sie sich lieber brustbeinfreie. Ihre Hose sollte entgegen denen der Jungs zwei Nummern zu klein sein, denn nur ein hineingepresster Hintern erweckt heute noch Aufmerksamkeit beim anderen Geschlecht. Namentlich sollten Sie sich für einen Doppelnamen entscheiden, den man später praktischerweise mit zwei Buchstaben abkürzen kann. Entscheiden Sie sich am besten zwischen Jaqueline-Michelle, Roberta-Aurora, Kristin-Barbette oder Mary-Jane.

Flexibel sind Sie bei der Wahl Ihrer Haarpracht. The way you wear your hair is the way you wear your personality. Als Junge können Sie eigentlich jede Frisur tragen, aber bedenken Sie, dass lange Haare meist abschreckend wirken und Sie sich des Öfteren in einer Schlägerei mit cooleren Jungs wiederfinden werden. Ein modischer Kurzhaarschnitt kommt bei den meisten Leuten mehr an. Als Mädchen sind Sie noch freier. Kurze Haare lassen die Lesbe in Ihnen aufleben, eine bestimmt lohnenswerte Erfahrung. Selbst Glatzen sind seit kurzem nicht mehr tabu für eine Frau.

Um als jugendlich frisches Gemüse durchzugehen, sollten Sie sich an einige wenige Regeln halten:

1. Halten Sie sich an keine Regeln. Nur eingestaubte Traditionalisten unterstützen das Establishment, alle anderen leben ihre rebellische Phase.
2. Der moderne Wortschatz ist um einige Ausdrücke erweitert worden. Nutzen Sie Aussagen wie „Boah ey!“, „Voll krass, deine Ma!“, „Shit ich bin voll im fucking flow.“ Vergleichsweise altmodische Floskeln wie „Unbefristetes Arbeitsverhältnis“, „Gesetzliche Rente“ oder „Sichere Zukunft“ sind nicht mehr zeitgemäß.
3. Ein Verhältnis mit dem Türsteher der Lieblingsdiskothek oder mit dem örtlichen Crackdealer kann nur vom Vorteil sein.
4. Alkohol ist immer eine Lösung.
5. Alles Fotzen außer Mutti!

Wollen Sie am Ende wirklich dazugehören, sollten Sie sich schnell mit übermäßigem Alkoholkonsum anfreunden. Nur als stinkbesoffener Jugendlicher, der sich um nichts Sorgen macht, sind Sie wer. Auch sollten Sie nicht vor ungewollten Schwangerschaften zurückschrecken. Damit liegen Sie voll im Trend. Sollten Sie sich in das Alter zurückversetzen, in dem Sie Ihren Führerschein gemacht haben, denken Sie daran, dass Sie ihren fahrbaren Untersatz tieferlegen und von einer zwielichtigen Gestalt pimpen lassen. Diesen Vorgang sollten Sie nicht mit dem des Pimperns verwechseln, auch, wenn es dort ein ebenso böses Erwachen geben kann.

Und nun, ab auf die Piste! Betrinken Sie sich hemmungslos und vögeln Sie in den Gegend herum, um Ihre Rente zu sichern! Und wenn Sie danach in einer Lache aus undefinierbarer Flüssigkeit aufwachen und nicht mehr wissen, inwieweit Sie am Vorabend die Sau herausgelassen haben, haben Sie es geschafft!

Sie waren noch einmal jung …wie ein Profi!

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Sonntag, 4. Februar 2007
Einen draufmachen …wie ein Profi
Sie kennen das. Man ist gut drauf, weil man gerade mit Hingabe und Erfolg das Finanzamt beschissen hat, da kommt einen der Gedanke, das gewonnene Geld gut zu investieren. Die Werbung rät zu Aktienfonds, doch Sie wissen es natürlich besser. Nirgendwo gibt es mehr Prozente als bei der Anlage in Alkohol. Sie schnappen sich also eine Handvoll Freunde und einige andere, die Sie einfach gerne unter den Tisch saufen wollen und ziehen los, um sich mal ordentlich einen hinter die Binde zu kippen.

In einem Rudel fallen Sie in die Lokalität Ihres Vertrauens ein und machen mit Ihrem Charme eine Runde bei der Kellnerin klar. Ihre Freunde sind enttäuscht, als sie erfahren, dass es sich doch nur um Bier und Schnaps handelt, doch Sie versprechen natürlich, dass Sie Ihren Glückstag nutzen werden, um noch mehr herauszuschlagen. Die erste Runde wird an Ihren Tisch gebracht und während Ihre Hand anerkennend zum Hintern der Bedienung gleitet, um ihre herausragende Serviceleistung zu honorieren, landet das erste Bier in Ihrem Schoß.

Durch die freundlichen Worte des Geschäftsführers, der Ihnen klarmacht, dass Sie sich „gehörig eine Faust in die Fresse einfangen“, wenn Sie nicht aufhören, „Ihre Drecksgriffel vom Arsch“ der Angestellten zu nehmen und „sofort das Lokal verlassen sollten, um nicht bluten zu müssen“, werden Sie und Ihre Truppe an die Luft gesetzt. Einer Ihrer Kollegen nennt Sie einen abgebrochenen Wichser, was Sie dazu bewegt, ihn aus der Feierrunde zu entlassen und jetzt noch mehr trinken zu müssen, um die Schmach vergessen zu machen.

Wie es sich für einen Mann Ihres Standes gehört, setzen Sie sich nun direkt an die Quelle des guten Stoffes und nehmen an der Theke einer anderen Lokalität Platz. Dort vernichten Sie das gefährliche Bier, das ansonsten unschuldige alkoholabstinente Jugendliche verführen und sie zu Ihresgleichen machen könnte. Da Sie die soziale Ader und den Konkurrenzschiss an sich entdecken, retten Sie die Jugendliche durch die Einnahme unzähliger Biere und Schnäpse. Lauthals motivieren Sie auch den Rest Ihrer Gruppe bei dieser Sozialaktion mitzumischen.

Drei Stunden später sind Sie voll wie eine Haubitze und grölen erst „Born in the USA“ wie in Ihren besten Tagen auf den Betriebsfeiern und versuchen sich dann an der musikalischen Untermalung der Post-WM-Stimmung mit einer Eigenkomposition. Doch erst als der Barmann Ihnen eine weitere Runde mit dem Hinweis verweigert, dass die dritte Strophe der Nationalhymne kein Anflug von Patriotismus, sondern einfach nur blöder Scheiß ist, fühlen sich in Ihren Grundrechten verletzt und zahlen, um sich auf den Weg nach Hause zu machen.

Nachdem Sie die Rechnung bezahlt haben, dessen Betrag Sie nach der achten Runde vollkommen aus den Augen verloren haben, torkeln Sie hinaus auf die Straße und feiern sich selber. Die Bekanntmachung „der Stecher der Nation“ zu sein, bringt Ihnen einige mitleidige Blicke der weiblichen Angesprochenen und ebenso viele Ratschläge sich zu verpissen durch deren männliche Begleiter ein. Laut singend tanzen Sie am Bordstein und rufen den vorbeifahrenden Autos hinterher, dass sie scheiße laut wären.

Selbstredend wird man auf den „Stecher aller Stecher mit dem größten Ding von allen“ sofort aufmerksam und schon haben Sie zwei neue Freunde in Uniform dazu gewonnen, die freundlich zu sich einladen, um Ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. Sie wundern sich noch, dass sie dieses kameradschaftliche Angebot im Zusammenhang mit einer Ausnüchterung erwähnen, doch wähnen sich in Sicherheit. Selbst leicht stolpernd, werden Sie an den Wagen mit der grünsilbernen Lackierung geleitet, wo Sie sich beim Einsteigen den Kopf am Dach stoßen.

Selig verfallen Sie daraufhin in einen tiefen, sich immerzu drehenden Schlaf. Mit halboffenen Augen sehen Sie die Lichter an Ihnen vorbeiziehen und aus Freude auf Ihren gelungenen Draufmachabend lassen Sie sich ein letztes Mal so richtig gehen. Nichts ahnend, dass Sie am nächsten Tag die Reinigung der Wagenrückbank zu übernehmen haben müssen. Aber das kann Ihnen jetzt auch völlig egal sein.

Denn Glückwunsch! Sie haben einen draufgemacht …wie ein Profi!

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Dienstag, 30. Januar 2007
GDS - Die Vergänglichkeit des Seins
Es droht schon in die Banalität abzugleiten, so oft wird es gezeigt. Schalten Sie die Nachrichten ein und Sie bekommen es direkt mehrmals hintereinander auf dem Silbertablett präsentiert: das Sterben.
Der Tod ist letztlich allgegenwärtig und doch trifft er uns mit einer unvorhersehbaren Wucht, nimmt er sich einen der unseren. Es reagiert jeder anders auf den Verlust - Wut, Trauer, Resignation, Unverständnis beherrschen die Lebenden. An solchen Tagen wird der Tod wieder etwas Besonderes, etwas Fernes, was urplötzlich eindringt und um Verständnis bittet.

Annes Traum vom Sterben (PDF, 47 KB)

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Mittwoch, 3. Januar 2007
GDS - Frisch ins neue Jahr!
Sind Sie am Neujahrstag aufgewacht und waren sich noch gar nicht des neuen Jahres bewusst? Lag 2006 vielleicht noch pelzig auf der Zunge, mit all seinem Nachgeschmack und Reflexionsmöglichkeiten? Wird vielleicht 2007 alles anders?

Für die Depressiven und Einsamen unter Ihnen.

Kater (PDF, 15 KB)


Und demnächst wird es etwas Lustiges geben, das muss bald mal sein, so!

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Dienstag, 19. Dezember 2006
How to become a Schriftsteller
Dienstag ist ja bei Herrn Nyxon immer großer Gorillaschnitzel-Special-Gedenktag. Jeder Dienstag. Immer. Sonntags wie Conny und Bert kann jeder. Montag wie Geldof-Bob oder Freitag wie Robert Smith auch. Dienstag liegt verwaist. Jetzt nicht mehr. Er wurde quasi in bester Stonestradition okkupiert.
Und da haben wir uns gedacht, dass zu so einem Gorillaschnitzel@B|L|O|S|A|T|Z auch mal ein ordentlicher Originalbeitrag gehört und das isser nun.
Darum mach ma einfach das, was wir können. Das ist zugegebenermaßen nicht sonderlich viel. Zoten reißen. Leutkens in die Pfanne hauen. Natürlich nur die, die es auch richtig verdient haben.
Das wird der Beginn einer steilen Karriere sein. Als Schriftsteller. Hier kommt der Masterplan:

Zuerst mal braucht es richtig literarisches Benehmen. Irgendeine Coolness. Ich finde das hat kaum einer so stilecht geschafft wie Ernest Hemingway. Drum legen wir uns zuerst den Hemingwayschen Habitus zu, überheizen die Wohnung (wir sind ja nun auf den Florida Keys oder in der Bodeguita del Medio) und setzen uns frühmorgens mit einem randvollen Glas Whiskey und nacktem Oberkörper vor die Schreibmaschine. Jaaaa, heute schreibt man eigentlich am PC. Aber hey: Thats not ernestlike.

Nun müssen wir wissen, was wir schreiben möchten. Zu Beginn reicht da Charles Bukowski. Inhaltlich. Im Casino das Honorar verzocken, danach eine Sauftour durch zig Kneipen beschreiben und danach erzählen, wie man eine leprakranke Hure gefickt hat, die gestunken habe, als sei sie gerade dem Hamburger Fischmarkt entkommen.

Danach sollte man sich ein ausgefallenes Vokabular zulegen. Am besten Wörter, die kaum noch einer kennt oder noch keiner kennt. "Landpommeranze" zum Beispiel, oder "Wuchtbrumme". Dann am besten noch ziemlich dreiste oder übersteigerte Sätze schreiben. Alles zusammenmixen und dann wie seinerzeit mit Lego alles zusammenbauen. Das könnte dann so aussehen:

"Er rammte seine Wuchtbrumme der andalusischen Landpommeranze hinein, bis diese von einem heftigen Würgreiz geschüttelt wurde. Ihre Augen tanzten wie seinerzeit Leuchtdioden auf Doris Schröder-Köpfs Köpfchen nach Gerds Wahlsieg."


Da ist alles drin: Sex, Politik, Macht, fremde Länder. Ein bißchen Crime könnte man noch reinnehmen...

Jetzt ist es wichtig, sich ein reges Liebesleben zuzulegen. Machen Sie´s wie Bert Brecht und halten Sie sich immer an die alten Griechen: Ehefrau, Hetäre, Konkubine. Umgeben Sie sich mit Models, 20jährigen Blondchen, die keinen Satz geradeaus sagen können und stellen Sie sich hin und wieder mal neben Vivienne Westwood. Schön wäre auch, wenn eine der Damen über ähnlich viel -oder besser: mehr- schriftstellerisches Talent verfügte, das Ihnen zur Verfügung gestellt werden könnte. Das erspart dann die eigene Arbeit.

Jetzt beginnt die Zeit der öffentlichen Auftritte. Das gehört gut vorbereitet. Am besten äußert man sich zu kontroversen politischen Themen. Ideal ist dabei für irgendeinen Diktator Partei zu ergreifen, dem grade Unrecht geschieht. Keine Sorge, das Publikum verzeiht alles. Peter Handke und Konstantin Wecker können das bestätigen.
Dann eine Lesereise veranstalten, einen richtig fies-kontroversen Text vorlesen und dann die richtige Theatralik entwickeln. Wie Kinski damals. Oder Handke eben.
Das geht so: Beim ersten unpassenden Zwischenruf eines dieser saudummen Pöbler und Gutmenschen sehr schnell, aber nur kurz aufblicken....die Lesebrille graderücken, den Kopf schütteln, seufzen und die Augen verdrehen und aufstehen. Nach vorne gehen, an den Rand der Bühne. Auf und ablaufen, die Hände auf dem Rücken. Erstmal die Szenerie auf sich wirken lassen und alles in die Länge ziehen. Dann unvermittelt lospoltern. Am besten schreien:

Arschloch!


Dann Pause. Kurz wirken lassen.
Ahnungsloses Arschloch!
Hast du die Weisheit mit dem Löffel gefressen, du Imperialistenarschloch?
Und dann vor dem Publikum den Kombattanten lächerlich machen:

Habt ihr ihn gehört? Dieser Totengräber der Gerechtigkeit hat dreist wie er ist meine Lesung gestört. Man sollte dir die Fresse polieren, du Arschloch


Damit schafft mans definitiv ins Fernsehen. Man wird in Talkshows sitzen, die Feuilletons werden randvoll sein. Jetzt sind wir so omnipräsent wie Peter Scholl-Latour und reden am besten auch so, dass uns das Publikum nicht mehr versteht. Die Preise werden jetzt von alleine kommen.

Und wenn dann mal die Zeit der Preise und Ehrungen kommt: Alles annehmen, den Literaturnobelpreis aber auf jeden Fall ablehen:

"Ich möchte nicht in einer Reihe mit diesem SS-Grass stehen."

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Dienstag, 5. Dezember 2006
GDS - Liebe deinen Nächsten
Der Eine oder andere weiß vielleicht worum es geht oder kennt sogar selber einen kleinen Prinzen, der sich ähnlich verhält...

Die Mär vom Prinzen im Turm (PDF, 36 KB)

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Dienstag, 14. November 2006
GDS - Schuldig im Sinne der Anklage
Heute wird geoutet! Ich mich höchstpersönlich. Ein bisschen gehadert habe ich ja schon, aber irgendwie war mir auch danach.
Na, erkennen Sie es wieder?


Der Text, der wo diesmal nicht durch den Link, sondern erst durch den Inhalt überraschen soll... (PDF, 22 KB)


Wie jede Woche viel Spaß beim Lesen und vielleicht mag der eine oder andere auch zu diesem Werke ein paar Worte verlieren...

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Dienstag, 7. November 2006
GDS - 7:0
Ich hatte zwar auf mehr Stimmen gehofft, aber immerhin gab es keine einzige Gegenstimme. Es schien mir also wirklich eine eindeutige Kiste zu sein: Sie wollen mehr!!!

Heute wird in den US und A der neue Kongress gewählt. Allen Hochrechnungen zufolge gelingt es den Demokraten in mindestens einem der beiden Häuser die Mehrheit zurückzuerobern. Das würde die restliche Amtszeit von George "Doppelnull" Bush gehörig erschweren.


Fällt eine Taube vom Himmel (PDF, 45 KB)


In Gedenken an unser aller Präsident...

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Dienstag, 24. Oktober 2006
GDS - Gorillaschnitzel-Dienstags-Special
Herrn Gorillaschnitzel ist aufgefallen, dass hier an Dienstagen seltener etwas geschieht als an allen anderen Tagen. Das war auch für mich ein schockierendes Ergebnis, zumal Herr Gorillaschnitzel absolut Recht damit hat.

Deshalb an dieser Stelle ein Gorillaschnitzel-Dienstags-Special-Post - natürlich für alle meine Schäfchen!

Wie wurde Herr Nyxon zu Herrn Nyxon? Kann Herr Nyxon mit knackigen Geschichten aufweisen? Und wieso zum Teufel sieht Herr Nyxon so gut aus? Schröder light sozusagen.

Aber lesen Sie doch selbst:

Long way to Arschloch (PDF, 409 KB)


Wehe dem, der sich was reißt...

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Donnerstag, 5. Oktober 2006
Der Tag, an dem Ben Lianes Lachen verlor (Teil 3)
Teil 1...
Teil 2...


Der Regen peitschte Ben ins Gesicht, er hielt die Augen zu kleinen Schlitzen geschlossen, während er auf den Bahnschienen in die Richtung rannte, in die Liane verschwunden war. Alle paar Minuten wurde er von einer herannahenden Bahn zur Seite geklingelt und vom Fahrer wütend angeschaut, doch das war ihm egal. Er rannte seiner Liebe hinterher, die alles für vergänglich zu halten schien. Der zerknüllte Zettel von der Wohnungstür presste sich durch den Druck seiner Faust in das zarte Hautgeflecht seiner Hand. „Alles ist vergänglich, Ben“, hatte Liane gesagt und ihre Worte zeigten ihm, dass er ihre Liebe ganz und gar nicht für vergänglich hielt.

Doch er wusste es auch besser. Einmal zuviel hatte er die bedrohlich wirkende Seite im Verlauf seines Browsers gefunden und einmal zuviel hatte er den beunruhigenden Artikel in diesem Nachrichtenmagazin gelesen. Einmal zuviel und immer noch einmal zu wenig, denn wenn er lernte zwischen den Zeilen zu lesen, würde er vielleicht auch Liane verstehen lernen. Das erste und einzige Mal vielleicht. Vielleicht. Es gab mehr als genug von ihnen und den ganzen anderen Vermutungen. Ben wollte sich lieber mit Auf jeden Falls beschäftigen oder auch mit eindeutigen Jas. Doch was ihm blieb waren nur die Vielleicht und die Möglicherweise.
Er wusste es. Er ahnte mehr. Und er verstand letztlich gar nichts.

In dem Jahr, in dem Ben Liane kannte und auch liebte, waren immer wieder Momente versteckt, in denen er sie nicht kannte, in denen Liane eine Fremde war. Als ihre Nase zu bluten begann, begannen seine Sorgen. Sie verschwand dann immer im Badezimmer und ließ sich nicht mehr blicken. Am Ende kam sie heraus, als sei nichts gewesen, die Nase frisch gepudert, die Haare gemacht, als würde sie zu einer Feier aufbrechen wollen. Ben hatte die kleine Schatulle im Medizinschränkchen entdeckt, sie war abschließbar und somit unerreichbar für ihn. Einmal hatte er sie gefragt, hatte gehofft, mit ihr darüber reden zu können, hatte gehofft, dass man gemeinsam eine Lösung für Probleme fand, doch Liane hatte nur gelacht und ihn nicht ernst genommen. Als er nachgebohrt hatte, war sie laut geworden und hatte ihn angeschrieen, dass er sich nicht zu sehr in ihr Leben einzumischen hätte, er würde damit nur alles kaputtmachen. Seitdem hatte er aus Angst sie zu verlieren, nichts mehr gesagt über die Schatulle und das Nasenbluten und ihre Stimmungsschwankungen.

Nur diese Internetseite hatte er sich näher angeschaut. Dieses Forum, in dem sich Menschen über Selbstmord unterhielten und es viele gab, die konkrete Pläne hatten. Ob Liane „liveindeath“ war? Oder vielleicht „crying_deep“? Er hoffte es nicht, aber konnte sich keineswegs sicher sein. Die Schatulle machte ihm Angst. Und die Internetseite. Und nicht zuletzt der Artikel, den er fast jeden Abend aufs Neue las und fast schon auswendig kannte. In dem geschrieben war, wie schnell sich Menschen von ihrem Leben verabschiedeten und wie schnell man im Netz dazu die richtige Anleitung finden konnte.

Ben kam an eine Gabelung. Der Regen hatte nachgelassen, vor ihm stand eine gelbe Straßenbahn an ihrer Haltestelle. Rechts herum ging es zum Friedhof, links zur Altstadt. Ben wusste nicht weiter. Es war ein Moment, in dem er Liane nicht kannte. Manchmal liebte er sie für ihre Unbeständigkeit, für ihre Spontaneität und ihre Freiheiten und manchmal wusste er nicht, ob er es wirklich ertragen konnte, dieses Sprunghafte, Unentschlossene an ihr.

Er ging zur Haltestelle und wartete. Er ließ eine Bahn an sich vorbeifahren. In ihr herrschte eine Menschenmenge, verschwitzte Scheiben dekorierten ihre Fahrt. Ben ließ eine zweite Bahn an sich vorbeifahren. Dasselbe Bild. In die dritte stieg er ein, obwohl er sein Ticket nicht eingesteckt hatte.
Eine junge Frau sprach ihn an: „Sie können auf meiner Karte mitfahren.“ Dann flüsterte sie: „Sie wird zurückkommen, aber Sie müssen auf sie zugehen“ und verschwand in der Menschenmenge.

Ben versuchte ihr zu folgen, doch sie schien nie da gewesen zu sein. Hatte er jetzt schon Halluzinationen? Er rieb sich die Augen. Es wurde ihm alles zuviel, er versuchte Halt zu finden, doch verlor in einer Kurve den Stand. Er prallte gegen einen Mann im Anzug, der mit missmutigem Gesicht seine Zeitung vor der Brust hielt. Er murmelte etwas von „Immer dasselbe“ und breitete seine Schultern aus. Ben floh sich in eine Ecke an der Tür und kauerte sich dort zusammen. Ihm war plötzlich sehr kalt und übel. Muss ich mich übergeben, fragte er sich selbst und wusste auch darauf keine Antwort.

„Wohin bloß“, flüsterte er ängstlich in den freien Raum. „Waldfriedhof“, klang es scheppernd aus den Lautsprechern der Bahn. Ben stieg aus.

[…]

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