Demanded by and dedicated to: Amy
Die Sonntage sind in unserem Dorf ja eher reine Lesetage. Viele Beiträge gibt es von den üblichen Verdächtigen nicht, auch mit Kommentaren hält man sich gemeinhin zurück. Lieber setzt man sich gemütlich mit seiner dampfenden Tasse Kaffee und mit angezogenen Beinen vor den Bildschirm und lässt sich fallen in die Geschichten, die dort in den Blogs auftauchen. Geschichten, zu deren Lektüre man innerhalb der hektischen Woche nicht gekommen war oder die man ganz bewusst auf den Sonntag geschoben hat, um ihren Zauber in Ruhe erkunden zu können.
Die Sonntage im B|L|O|G|S|A|T|Z werden die nächste Zeit von zwei Eigenschaften bestimmt: Zum einen der Wunsch nach stressfreiem Lesen von (hoffentlich guten und schönen) Geschichten. Keine Politik, keine Gesellschaftskritik (zumindest keine offene) und keine Medienanalysen. Gute, alte Handwerkskunst am Wort. Zum anderen die Idee des Bloggens on demand. Jedes Abomitglied dieser Seite mit gültig hinterlegter Blogadresse wird bald gebeten, seine Demandwünsche in zehn Stichworten festzulegen zu denen sich der Herr Nyxon dann inspirieren lässt.
Den Anfang macht aufgrund alphabetischer Faulheit Amy.



Schwanensee

"Henriette und Poldi zu Rotbachtal", trällerte atemlos das schwarz gefrackte Küken am Zugang und verkündete damit die Ankunft der Ehrengäste an diesem Abend. Das Schilf schob sich sanft zur Seite, halb getrieben von der sanften Brise am See, halb von den beiden Gestalten zur Seite geschoben. Henriette und Poldi waren die ältesten hier und jeder kannte sie. Sie passten auf die Kleinen auf, wenn manche Eltern sorgenfrei gen Süden flogen und achteten auf die Reinheit des Wassers. Selbst die Wassertemperatur lag den beiden am Herzen, denn ein zu kalter See "lässt einen den Bürzel schütteln", pflegte Poldi mit einem süffisanten Lächeln immer zu sagen, wenn man ihm vorwarf er nehme seine Aufgaben viel zu ernst.

Majestätisch glitten die beiden stolzen Schwäne durch das Wasser und ließen sich von den anwesenden Gästen bejubeln. Kleine Entenküken bliesen die Pollen der Pusteblume in die Luft, um Henriette und Poldi zu ehren. Ein lautes Geschnatter und Gegacker säumte ihren Auftritt. Erhobenen Hauptes schoben sie sich durch die Menge und nahmen ihre Plätze in der Mitte des Schilfmoores ein, das seit Generationen den Sammelplatz der Seebewohner darstellte, wenn es zu feiern galt. Im Dreieck der größten Zuflüsse gelegen, war es der schönste Ort, um Großes zu verkünden und die Schnäbel tief in den Morast zu drücken. Kleine Köstlichkeiten fanden sich hier im Untergrund, selbst manche Karotte ließ sich herausfischen, Delikatesse der Saison.

Als sich die Menge beruhigt hatte, schwamm Emil Erpel in die Mitte und machte mit hektischem Geflatter auf sich aufmerksam. "Geehrte Gäste", begann er mit geschwelter Brust seine langatmige Rede, "wir sind heute hier versammelt zu Ehren von Henriette und Poldi zu Rotbachtal, die es wieder einmal geschafft haben, einen Traum wahr werden zu lassen. Mit viel Sinn für Gleichberechtigung und noch mehr Verhandlungsgeschick haben es die beiden geschafft, die Situation zu meistern, unseren geliebten See vor der Reihermafia zu schützen." Emil Erpel machte eine theatralische Pause, in der sich die Gäste leise schnatternd über ihre Erfahrungen mit der Reihermafia ausließen, einer Gruppe von Graureihern, die vor kurzem in das Rotbachtal eingefallen waren, um die Chance einer Machtübernahme zu nutzen. Da das Gebiet aber schon seit Generationen unter dem Schutz der zu Rotbachtals stand, war ihnen unvorhersehbarer Widerstand geleistet worden. Emil Erpel fuhr mit weitem Schnabel fort, um die Menge wieder zur Ruhe zu bringen: "Wir alle haben die Attacke des Clans miterlebt, wir alle haben Seite an Seite gekämpft um jede Seerose, um jedes Schilfrohr und um jedes unserer geliebten Küken." Bei diesen Worten nahmen die Entenmütter ihre Kleinen unter einen Flügel, zu schmerzhaft und Angst einflößend war die Erinnerung an die Geschehnisse.

"Durch den beherzten Einsatz von Henriette und Poldi konnte ein gewaltvoller Widerstand umgangen werden. Statt es mit Kreditkarte und Unterwürfigkeit zu regeln, nahm unser Poldi das Oberhaupt der Reihermafia zur Seite und verhandelte mit ihm!" Emil Erpels Brust war voller Stolz aufgeplustert, er hielt soviel Sauerstoff in seinen Lungen, dass es ihm schon schwindelig wurde. "Lieber Poldi! Bitte sag uns, wie konntest du Reiher-Joe von hier vertreiben?" Erst jetzt ließ Erpel die Luft heraus und hatte direkt soviel Rückstoß, dass er rückwärts aus der Mitte getrieben wurde, was Poldi zu Rotbachtal den Platz bot, sich zu positionieren und die Spannung durch langes Schweigen noch zu steigern. "Ich, liebe Freunde, habe mir nur die Schwäche der Reiher zunutze gemacht, dass sie keiner Wette und keinem Wettbewerb aus dem Wege gehen. Wolken-Schnickschnackschnuck, meine Lieben, mehr war nicht nötig, um den Reihern Einhalt zu gebieten. Aber ich hatte Glück im Spiel, verehrte Freunde! Es stand zum Schluss unentschieden und wäre mir nicht die Schäfchenwolke ins Sichtfeld gerückt, wäre alles verloren gewesen."

Atemlose Stille durchzog das Moordelta. Bisher hatte keiner gewusst, dass das Schicksal des Rotbachtals an einer einzigen Wolkenformation gehangen hatte. Emil Erpel hatte vor Spannung sein Köpfchen in das Wasser und das Schwänzchen in die Höh’ gestellt und als er wieder auftauchte, durchbrach das die ehrenvolle Stille. Begeistertes Geschnatter brach aus, manche Gäste ließen Federn, so außer sich vor Freude waren sie. Henriette und Poldi waren zusammengekuschelt an den Rand geschwommen. "Wir werden zu alt für so was", sagte Henriette und schmiegte ihren langen Hals an den ihres Mannes. "Ach, meine Liebste", erwiderte Poldi leise, "solange andere noch grün hinterm Schnabel sind, ist das hier Schwanensee, nicht mehr und nicht weniger."

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gorillaschnitzel, Montag, 16. Juli 2007, 18:23
...und nu sind die Sonntage fürs nächste Jahr gesichert?

nyxon, Dienstag, 17. Juli 2007, 01:18
Wenn alle so mitmachen, wie ich es wünsche, dann kriegen wir damit einige Sonntage herum, auf jeden Fall.