Summer of Love
Es war der Sommer, in dem ich feststellte, dass ich Mädchen nicht nur bääähh, sondern auch gut finden kann. Eigentlich ist es deshalb der schlimmste Sommer überhaupt, denn mit ihm fingen die Probleme an. Plötzlich musste man nicht nur cool sein, um bei den Jungs nicht doof dazustehen, sondern auch noch, um bei den Mädels nicht komplett durchzufallen. Es war der Sommer, ab dem alles komplizierter wurde. Nur an das Jahr kann ich mich nicht mehr genau erinnern. '96 oder '97.

Mit einer Jugendgruppe ging es an die Weser, genauer gesagt nach Nordenham. Die örtliche Jugendherberge, die für einen Pimpf wie ich es damals war, nahezu königlich ausgestattet war, lag direkt am Weserufer, der Blick aus dem Viererzimmer ging auf die graue Brühe, denn sauber war damals noch nicht so EU-richtlinig wie heutzutage. Ich weiß noch, dass ich nicht nur einen der Zimmergenossen mit seinen dreckigen Unterhosen mit der Zeit nervig fand (nicht nur die Gewässer hatten andere Reinheitsstandards), sondern auch die Schiffe, die einen früh morgens aus dem Schlaf tuteten. Lang schlafen war eh nicht, denn Jugengruppentage begannen pünktlich um sieben durch das Wecken der pädagogischen Begleiter. Und wenn man da an den falschen geriet, konnte ein "Noch fünf Minuten" schnell zur Kitzelattacke oder Wasser im Gesicht führen.
Mehr Glück mit den Pädagogen konnte man allerdings gar nicht haben. Es geistert nur noch der Name Michael in meinem Kopf herum, der langhaarige, gitarrenbegabte und vorbildträchtige Kerl, der mich im Nachhinein etwas an Tobias Regner erinnert. Dann gab es noch einen, der wie Bill Gates aussah, aber viel cooler war. Dann noch die blonde Schönheit, von der man sich natürlich gerne ins Bett bringen ließ, auch wenn man schon zu alt dafür und noch zu jung für sie war. Beide bleiben namenlos, so toll waren sie also doch nicht.

In den zwei Wochen, in denen wir in Nordenham waren, habe ich mich in drei verschiedene Mädchen verliebt. Ich schlüpfte in vier verschiedene Rollen - einmal der Talkmaster in einer fingierten Wetten Dass?!-Show, dann der Teamleiter des Hattu-Häschen-Teams (die dazu gehörige Bettwäsche habe ich immer noch) und nicht zu vergessen ein unglaublicher Burner im Schlickschlittenrennen. Meine liebste Rolle aber war die des allseits anerkannten Jungen, eine Paraderolle, die ich lange Jahre nicht bekommen hatte, ständig war jemand anders gecastet worden. In diesem Sommer nicht.
Der Sommer der Verliebtheit und der Rollenvergabe. Der Sommer, der alles komplizierter machte. Der Sommer, der zeigte, dass man seine Unterhosen keinfalls länger als drei Tage am Stück tragen kann.

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