Montag, 21. Mai 2007
Die Seelenfänger - Teil 12
Teil 1 - Anlaufschwierigkeiten
Teil 2 - Der erste Kontakt
Teil 3 - Die Marketingmaschinerie
Teil 4 - Wahrheit halb und halb
Teil 5 - Tiefendurchsuchung
Teil 6 - Männlein, teste dich!
Teil 7 - Das Helfersyndrom
Teil 8 - Kläranlage Mensch
Teil 9 - Laienseelsorge
Teil 10 - Persil
Teil 11 - Zahltag



Teil 12 – Widerstand ist zwecklos

Als Fazit kann ich nur einen ersten Eindruck präsentieren. Ohne Zeit und Geld zu investieren kommt man bei Scientology nämlich nicht weit. Den Ablauf der Seminare, mögliche internere Vorgehen bei der Disziplinierung des Menschen, all das kann ich nicht bestätigen, weil ich nur an der Oberfläche gekratzt habe.

Man kannte mich jetzt seit kaum drei Stunden und wollte mir ein Seminar andrehen, Bücher verkaufen und hat mir etliche Probleme zugeschrieben. Vielleicht ist manches von dem Gesagten logisch nachvollziehbar, nicht alles ist Propaganda und man wird äußerst nett und höflich in den Räumen empfangen. Es ist ganz wie in einem Verkaufsgespräch. Für Menschen, die ernsthaft Hilfe suchen und sich leicht verleiten lassen, ist das wohl eine perfekte Taktik, um das Vertrauen zu sichern. Einige Passagen in der mir mitgegebenen Broschüre kann man ebenfalls als richtig bezeichnen und manche Aussagen klingen nach gesundem Menschenverstand und sollten keine Sorgen bereiten.

Es sind aber die Zeilen dazwischen, die immer wieder auftauchen, die einen misstrauisch machen sollten. Die Verehrung des Mythos L. Ron Hubbard, zum Beispiel. Die ständige Wiederholung, Scientology sei durchaus eine anwendbare Religion und in sämtlichen Lebenslagen hilfreich. Der Hinweis darauf, dass dies alles nur funktioniere, wenn man sich komplett öffne und seinem Gegenüber vertraue. Der eindringliche Satz, dass sämtliche Entscheidungen für Scientology aus freien Willen geschehen und nichts mit Druck oder Zwang zutun hat. Meiner Meinung nach muss man die Existenz und Anwendbarkeit des eigenen, freien Willens nicht ewig und drei Tage wiederholen, weil das Handeln danach selbstverständlich sein sollte. Bei Scientology allerdings wird so oft in allen möglichen Medien darauf hingewiesen, dass mich der Eindruck einfängt, man möchte vom sanften Druck, der einen bei seiner freien Willensentscheidung umgibt, ablenken.

Es ist das Bild des perfekten Menschen, das mir in der kurzen Zeit am eindringlichsten im Gedächtnis geblieben ist und mir auch am meisten den Magen gekrümmt hat. Das Versprechen der Organisation, den Menschen in allen Lebensbereichen zu einer besseren, weil fehlerfreien Persönlichkeit zu machen, klingt nach der Optimierung eines Betriebssystems, nicht nach zwischenmenschlichem Helfen. In meinen Augen gibt es keine erreichbare Perfektion, denn nur ein Mensch mit Fehlern ist ein Mensch. Es hallt eine Prise Fanatismus mit in diesen Worten. Und schaut man sich in der Welt um, sieht man, dass bisher alle Systeme, die die komplette und radikale Gleichstellung der Menschen in Form von Optimierung bestehender Eigenschaften und Auslöschung unerwünschter Synergien in Aussicht gestellt haben, untergegangen sind.

In der Science Fiction gab es eine Gruppe, die ebenfalls nach Perfektion strebte. Ihr Motto hieß „Widerstand ist zwecklos“. Der Vergleich fällt hier durch die Bezugnahme auf die Basis Science sogar leichter, und auch ein Großteil der Scientology-Ideologie besteht aus Fiction. Sie dürfen jetzt selber entscheiden, ob es Einfluss nimmt, dass L. Ron Hubbard in erster Linie als Sci-Fi-Autor begonnen hatte.


[...Donnerstag ...Offizielles]

Permalink (4 Kommentare)   Kommentieren